Warum es überhaupt nichts bringt, wie bekloppt auf den “Tür öffnen”-Knopf von Bus oder Bahn einzuhämmern

Da das immer noch viele Menschen machen und deshalb der deutschen Volkswirtschaft durch Materialverschleiß jährlich vermutlich Schäden in Milliardenhöhe entstehen, gibt es an dieser Stelle ein bisschen Aufklärung. Als Beispiel nehmen wir den Bus, analog gilt das alles auch für die Bahn.

Um solche Knöpfe geht es.

Um solche Knöpfe geht es.

Also. So ein Bus ist eigentlich nur ein rollender Automat mit 4 Zuständen.

Dass der Bus natürlich an einer Haltestelle halten und der Busfahrer die Türen freigeben muss setzen wir hier mal als bekannt voraus.

Dass der Bus natürlich an einer Haltestelle halten und der Busfahrer die Türen freigeben muss, setzen wir hier mal als bekannt voraus.

Wenn der Bus hält und man den “Tür öffnen”-Knopf drückt, öffnet sich die Tür sofort.

Wenn die Türen noch nicht freigegeben sind (= “der Bus noch fährt”) und man den “Tür öffnen”-Knopf drückt, wechselt der Bus in den “Knopf gedrückt”-Zustand. Das sieht man daran, dass die entsprechende Beschriftung am Knopf aufleuchtet. Der Bus “merkt” sich also, dass man aussteigen will. Sobald der Bus hält und die Tür freigegeben ist, wird sie sich öffnen. Wenn man den Knopf jetzt noch öfter drückt, bringt das überhaupt nichts. Das ist, wie wenn eine alte Oma dem Enkel hinterherläuft und ständig sagt “Zieh dir auch was Warmes an wenn du rausgehst, draußen ist es kalt!”, und der Enkel sagt “Jaaah, Oma”, aber die Oma hört nicht damit auf – es nervt nur noch.

So.

Steht man hingegen auf der anderen Seite der Tür und will hinein, sollte man etwas anderes beachten. Während der Fahrt sind die “Tür öffnen”-Knöpfe an der Außenseite deaktiviert1. Außerdem besitzen sie in der Regel eine grüne Beleuchtung. Sobald diese aufleuchtet, sind die Knöpfe aktiv und öffnen bei Betätigung die Tür. Vorher nicht. Genau, 1x drücken reicht.

Diese Lämpchen sind das:

Blink, blink.

Blink, blink.

Und nun: Frohes ÖPNV-en.

  1. Mir fällt auch keine Situation ein, in der man diesen Knopf während der Fahrt drücken wollen würde.

Analyse: Wann werden wir vom Rüngler-Problem kalt erwischt?

Für kommenden Mittwoch ist zu einer SP-Sitzung geladen, auf der die Ausschüsse des Studierendenparlaments der Uni Bonn nach einem entsprechenden Ältestenratsbeschluss neu besetzt werden sollen; derweil streiten sich die Größen der Bonner Hochschulpolitik munter weiter bis in die nächste Instanz.

Doch ignorieren wir das alles mal und wenden uns der eigentlichen Frage zu: Wie problematisch ist das Rüngler-Problem?

Die Fakten

Das Studierendenparlament hat 43 Sitze. Die Ausschüsse des Studierendenparlaments werden auf Basis dieser Sitzverteilung besetzt, nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren. Die Anzahl der Ausschussmitglieder ist zunächst einmal sinnigerweise ungerade. Die Satzung der Studierendenschaft sieht Ausschussgrößen von 3, 5, 7 und 9 vor. Eine SP-Mehrheit hat also mindestens 22 Sitze, eine Ausschussmehrheit entsprechend 2, 3, 4 oder 5.

Das Problem (Wiederholung)

In der aktuellen Besetzung hat das Studierendenparlament das Problem, dass die SP-Mehrheit von RCDS und Jusos mit 22 Sitzen in einem Fünferausschuss nur 2 Sitze besetzen kann, also keine Mehrheit in diesem Ausschuss hätte. Entsprechendes gilt für einen Neunerausschuss. Erklärbärartikel zum sog. “Rüngler-Problem”

Was tun?

Zunächst einmal wollen wir die Frage beantworten, mit welchen Wahlergebnissen wir eigentlich rechnen müssen. Da für unser Problem nicht die Identität der Listen, sondern nur das Verhältnis ihrer Sitzzahlen interessant ist, genügt es, die Sitzverteilungen absteigend sortiert zu berechnen. Ein kleines Python-Skript mit einer zehnfach verschachtelten For-Schleife erledigt dies für 2 bis 10 antretende Listen in erstaunlicherweise weniger als einer Sekunde1. Wen diese Ergebnisse interessieren: klick.

Doch damit beginnt der große Spaß ja erst. Nun wird jede dieser Sitzverteilungen darauf geprüft, für welche Ausschussgrößen das Rüngler-Problem auftritt. Alternativ kann natürlich auch das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren zu viele Sitze zuteilen, was ebenfalls nicht wünschenswert, aber hier nicht primärer Gegenstand unserer Betrachtung ist.

Resultate

Ei, ei, ei.

Nehmen wir mal an, der RCDS hätte einen Sitz weniger und die Piraten-Hochschulgruppe einen Sitz mehr im Studierendenparlament. Abstrakt sieht das ganze also so aus:

Unsere Beispielverteilung.

Unsere Beispielverteilung.

Nun bilden wir unsere Ausschüsse mit dem bewährten Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren. In den folgenden Grafiken markiert die gestrichelte Linie die Mitte. Alle Listen links und auf dieser Linie besitzen zusammen eine Mehrheit im Ausschuss.

Dreierausschuss

B+C: 21 SP-Sitze, haben jedoch Ausschussmehrheit

B+C: Nur 21 SP-Sitze, haben jedoch Ausschussmehrheit → Rüngler-Problem

Fünferausschuss

majority-05

A+D: Nur 16 SP-Sitze, haben jedoch Ausschussmehrheit → Rüngler-Problem

Siebenerausschuss

majority-07

B+C: Nur 21 SP-Sitze, haben jedoch Ausschussmehrheit → Rüngler-Problem

Neunerausschuss

majority-09

C+D+E+F: Nur 20 SP-Sitze, haben jedoch Ausschussmehrheit → Rüngler-Problem

Aber hey, es ist Karneval! Versuchen wir es doch mal mit einem Elferrat, dat hätt noch emmer joot jejange!

Elferausschuss (nicht satzungskonform)

majority-11

B+D+E+F: Nur 21 SP-Sitze, haben jedoch Ausschussmehrheit → Rüngler-Problem

Wat fott es, es fott. *hust*

 Herr Doktor, wie schlimm isset?

Schlimmstenfalls treten bei der nächsten Wahl 8 Listen an und es ergibt sich folgendes Ergebnis:

Können wir das machen? Bitte?

Können wir das machen? Bitte?

Dann haben wir das Rüngler-Problem bei einer Ausschussgröße von 3. Und bei 5. Und bei 7. Und 9. Und 11. Und 13. Überhaupt bei jeder ungeraden Zahl zwischen 2 und 42 – außer bei 23: Da schlägt dann das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren fehl, weil fünf Listen gleichzeitig die letzten vier Sitze zugeteilt bekämen. Die Rüngler-Lösung, bei der einfach die Ausschussgröße so weit nach oben korrigiert wird, bis das Problem nicht mehr auftritt, würde also zu 43er-Ausschüssen führen – da kann man dann eigentlich gleich eine SP-Sitzung einberufen.

Nun haben wir Extrembeispiele gesehen. Blicken wir nun auf einen Graphen, der die Wahrscheinlichkeit abbildet, dass bei einer der vier von der Satzung vorgesehenen Ausschussgrößen das Rüngler-Problem auftritt, oder das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren (STLGS) nicht die gewünschte Zahl an Sitzen zuteilen kann.

Aufgeteilt wird das ganze nach der Anzahl der im SP vertretenen Listen.

Aufgeteilt wird das ganze nach der Anzahl der im SP vertretenen Listen.

Wir sehen: Je mehr Listen im SP sitzen, desto wahrscheinlicher wird es, dass das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren für eine der Ausschussgrößen fehlschlägt, und noch stärker steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Rüngler-Problem auftritt.

Eine Grafik hab ich noch: Wie wahrscheinlich ist es, dass für alle vier vorgesehenen Ausschussgrößen entweder das Rüngler-Problem auftritt oder das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren nicht die gewünschte Zahl an Sitzen zuteilen kann?

Sieht verschmerzbar aus. Wobei: 10 % sind dann doch ganz schön viel.

Sieht verschmerzbar aus. Wobei: 10 % sind eigentlich doch ganz schön viel. Anscheinend konvergiert das gegen 25 %, also jedes vierte Wahlergebnis wäre höchstproblematisch. Gegen zu viele Listen im SP könnte ja eine Sperrklausel bei der Wahl helfen *diabolisches Grinsen*

Fazit

Wenn das Rüngler-Problem ein Problem ist, ist es tatsächlich ein Problem.

So, für heute habe ich nun mit genug Zahlen und Bildern um mich geworfen. Das gesamte Team von hszemi.de wünscht allen Beteiligten viel Vergnügen bei der Lösung dieses Problems!

Disclaimer: Menschen machen Fehler. Falls ihr in den obigen Zahlen und Grafiken einen Fehler bemerkt, freue ich mich über einen Hinweis, zum Beispiel in den Kommentaren.

  1. Für eine einzige Liste ist dies trivial. Beweis durch scharfes Hinschauen. (Für 2 Listen eigentlich ja auch.)

Wie sieht das aus, wenn man von der Studienstiftung des deutschen Volkes abgelehnt wird?

Hier gibt’s die Antwort. Das ist schließlich ein Serviceblog.

ssddv

Liebe Studienstiftung: Ihr wollt micht nicht. Ihr habt mich schon zweimal nicht gewollt. Ich bin nicht in eurer Zielgruppe.

Ihr habt mich bislang exakt 100 € an Fahrt- und Unterkunftskosten gekostet. Es ist ja nicht so, dass es auch Seminare innerhalb NRWs gäbe. Nein, Rheinland-Pfalz musste es sein. Wohin das Studiticket nicht reicht.

Wenn ihr auf die Schnapsidee kommt, mich nochmal einzuladen, werde ich das Auswahlseminar so richtig trollen. Nicht nur ein bisschen. Die Zeit nehm ich mir dann. Und das Geld.

Herzlichst, eure Nummer 19.