Warum wird am Schulbus gedrängelt?

Ich bin ja ursprünglich vom flachen Voralpen- Land. Dort hat selbstverständlich nicht jedes Kuhdorf eine eigene weiterführende Schule, sondern die Kinder fahren morgens mit dem öffentlichen Personennahverkehr in die nächstgrößere Stadt, und nachmittags wieder zurück.

Nehmen wir mal als Beispiel die kleine Sven…ja. Die kleine Svenja also. Die wohnt jetzt beispielsweise in Nesselwang und geht auf das staatliche Gymnasium Füssen in Füssen. Könnte wirklich so sein!

Von Nesselwang aus kommt man mit der OVG-Linie 63/71 nach Füssen. Die startet ganz frühmorgens um 6:05 Uhr in Kempten, ist planmäßig um Viertel vor 7 in Nesselwang und liefert die Kinderlein planmäßig um 7:25 Uhr am Bahnhof in Füssen ab. Und nach der Schule geht es die gleiche Strecke wieder zurück. Das ergibt für die kleine Svenja aus Nesselwang eine Fahrzeit von täglich etwa zwei Dreiviertelstunden. Zeit, in der man Hausaufgaben abschreiben oder noch ein wenig powernappen kann.

Die Route der 63/71 frühmorgens, mit extrem detailliert eingezeichneten Ortschaften entlang des Wegs.

Die Route der 63/71 frühmorgens, mit extrem detailliert eingezeichneten Ortschaften entlang des Wegs.

Nun betreiben wir ein wenig Data Science1 und färben den Streckenverlauf nach Füllstand des Busses ein: Cyan heißt “leer”, Lila heißt “voll”, also alle Sitzplätze (!) sind besetzt.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe.

Huch! Was passiert denn da! Das schauen wir uns doch einmal genau an.

I have amazing zoom. Believe me, I have the best zoom.

I know zoom, I have the best zoom.

Die Stelle, an der die Strecke von Cyan zu Lila wechselt, ja? Das ist die Haltestelle “Nesselwang West”. Eine für diese Strecke sehr wichtige Haltestelle: An ihr wird die Sitzplatzkapazität des Busses erschöpft. Das bedeutet: Wer vor dieser Haltestelle einsteigt, bekommt immer einen Sitzplatz. Wer nach ihr einsteigt, bekommt nie einen Sitzplatz. Und vielleicht am wichtigsten: Wer an dieser Haltestelle einsteigt, bekommt möglicherweise einen Sitzplatz. Je später man im Vergleich zu den restlichen Kindern den Bus betritt, desto geringer wird die Chance auf einen Sitzplatz, und umgekehrt.

Was tut also die kleine Svenja, wenn sie nicht eine Dreiviertelstunde lang im Bus stehen möchte? Aktiv anstehen2.

Nun gibt es hin und wieder Eltern, die sich das Ganze ansehen und dann empört Dinge kundtun wie “Des isch nur an der Haltestelle so!” und “Woanderscht stellen sich die Kinder ganz brav an, blos diese Brand-Kinder3 net!”

Führt man sich die Gesamtsituation vor Augen, ergibt sich relativ einfach die folgende Grafik, die abschließend sehr anschaulich darstellt, weshalb nur an der Haltestelle “Nesselwang West” gedrängelt aktiv angestanden wird, dort aber mit vollem Einsatz.

Hausaufgabe bis zum nächsten Mal: Finde den Punkt, an dem der Profit maximal ist!

Hausaufgabe bis zum nächsten Mal: Finde den Punkt, an dem der Profit maximal ist!

Bonustrack! Was kann getan werden, um das Drängel-Problem zu umgehen? Es gibt mehrere Alternativen:

  1. Die Kinder mit dem Auto extra an eine Haltestelle weiter vorn fahren. Schwachstelle: Wenn das jeder machen würde!
  2. Alle Sitzplätze aus dem Bus ausbauen. Schwachstelle: Die Kunden werden nicht begeistert sein.
  3. Genug Sitzplätze für alle bereitstellen, sodass kein Punkt entsteht, an dem zu aktivem Anstehen motiviert wird. Schwachstelle: So ein zweiter Bus kostet Geld.
  4. Nichts tun, sondern einfach weiter meckern und jammern. Die Kinder werden schließlich irgendwann mit der Schule fertig und dann ist es nicht mehr unser Problem. Schwachstelle: keine!

Grafiken: Strecken-Daten von OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL

  1. das ist Englisch für “Zahlenmagie”
  2. euphemistisch für “Drängeln”
  3. Die Haltestelle “Nesselwang West” befindet sich im Ortsteil “Brand”. War das ein Wortwitz-Feuerwerk, als es da mal auf einer Wiese gebrannt hat!

Warum es überhaupt nichts bringt, wie bekloppt auf den “Tür öffnen”-Knopf von Bus oder Bahn einzuhämmern

Da das immer noch viele Menschen machen und deshalb der deutschen Volkswirtschaft durch Materialverschleiß jährlich vermutlich Schäden in Milliardenhöhe entstehen, gibt es an dieser Stelle ein bisschen Aufklärung. Als Beispiel nehmen wir den Bus, analog gilt das alles auch für die Bahn.

Um solche Knöpfe geht es.

Um solche Knöpfe geht es.

Also. So ein Bus ist eigentlich nur ein rollender Automat mit 4 Zuständen.

Dass der Bus natürlich an einer Haltestelle halten und der Busfahrer die Türen freigeben muss setzen wir hier mal als bekannt voraus.

Dass der Bus natürlich an einer Haltestelle halten und der Busfahrer die Türen freigeben muss, setzen wir hier mal als bekannt voraus.

Wenn der Bus hält und man den “Tür öffnen”-Knopf drückt, öffnet sich die Tür sofort.

Wenn die Türen noch nicht freigegeben sind (= “der Bus noch fährt”) und man den “Tür öffnen”-Knopf drückt, wechselt der Bus in den “Knopf gedrückt”-Zustand. Das sieht man daran, dass die entsprechende Beschriftung am Knopf aufleuchtet. Der Bus “merkt” sich also, dass man aussteigen will. Sobald der Bus hält und die Tür freigegeben ist, wird sie sich öffnen. Wenn man den Knopf jetzt noch öfter drückt, bringt das überhaupt nichts. Das ist, wie wenn eine alte Oma dem Enkel hinterherläuft und ständig sagt “Zieh dir auch was Warmes an wenn du rausgehst, draußen ist es kalt!”, und der Enkel sagt “Jaaah, Oma”, aber die Oma hört nicht damit auf – es nervt nur noch.

So.

Steht man hingegen auf der anderen Seite der Tür und will hinein, sollte man etwas anderes beachten. Während der Fahrt sind die “Tür öffnen”-Knöpfe an der Außenseite deaktiviert1. Außerdem besitzen sie in der Regel eine grüne Beleuchtung. Sobald diese aufleuchtet, sind die Knöpfe aktiv und öffnen bei Betätigung die Tür. Vorher nicht. Genau, 1x drücken reicht.

Diese Lämpchen sind das:

Blink, blink.

Blink, blink.

Und nun: Frohes ÖPNV-en.

  1. Mir fällt auch keine Situation ein, in der man diesen Knopf während der Fahrt drücken wollen würde.

Wenn der Bus wieder nicht kommt

Wir1 kennen das: Man hetzt durch die Kälte des schneelosen Bonner Winters und will eigentlich noch den Bus um 19:02 Uhr erwischen. Gerade noch pünktlich erreicht man die Haltestelle. Und dann: Nichts. Kein Bus weit und breit.

Auch nach 5 Minuten immer noch: Nichts.

Ein Blick in die VRS-App hilft auch nicht weiter: Für diese Fahrt wird keine Verspätung angezeigt.

Weitere 5 Minuten später, Sie ahnen es: Nichts.

Nach 20 Minuten Wartezeit kommt schließlich ein Bus, allerdings fährt der die falsche Linie2.

Erst nachdem man 35 Minuten gewartet hat, kommt doch mal ein Bus mit der gewünschten Liniennummer, und man kann, Eisklotz der man inzwischen ist, ins warme Innere stelzen.

Dank der @StadtpferdeBonn weiß man hinterher wenigstens, woran es lag:

Doch auch andere haben Probleme mit den Bussen der SWB, und das an Stellen, die eigentlich von gleich 4 Linien versorgt würden:

Das Problem mit der Kommunikation

Am nervigsten ist nicht, dass der Bus halt mal nicht kommt. Wenn die SWB etwas dagegen tun könnte, täte sie es vermutlich. So etwas bringt ja auch den fancy Fahrplan durcheinander. Einen guten Grund wird es also geben. Die Frage ist nur: Kommt der Bus 5 Minuten später? 10? Oder entfällt die Fahrt ganz, weil der Pferdehafer schlecht war?

In Bonn steckt man hier in einem besonderen Dilemma: Man könnte zu Fuß gehen, und sein Ziel dann vermutlich schneller erreichen, als wenn man auf den nächsten Bus wartet. @will_danbury zum Beispiel hätte zu Fuß in 15 Minuten am Gleis sein können. Dummerweise wartet der Bus aber meistens hinter der letzten Ecke nur darauf, dass man genau das tut, und – *vrooooom* – zieht dann diabolisch grinsend an einem vorbei, sobald man 20 Meter von der Haltestelle entfernt ist.

Die Trambahnen in Bonn haben an jeder Haltestelle eine digitale Anzeigetafel, die die nächsten Bahnen inklusive Restwartezeit ankündigt. Für die Busse gibt es das leider nur an zentralen Verkehrsknotenpunkten in der Innenstadt. Wenn man so an der Haltestelle steht und sonst nicht viel zu tun hat, könnte man ja bequem auf dem Smartphone im Internet nachsehen, ob aktuell eine Störung vorliegt und was jetzt eigentlich mit dem Bus los ist.

Also, das könnte man. Wenn man es denn könnte. Die Stadtwerke Bonn haben zwar einen Twitteraccount, aber da gibt es vorrangig Pressemitteilungen und peinliche Werbung, aber keine aktuellen Verkehrsinformationen. Auf der Webseite das selbe Bild: Blabla blubb blubb, aber keine aktuellen Störungsinfos.

Die KVB bieten auf ihrer Webseite immerhin Tickermeldungen zur Betriebslage bei Bus und Bahn. Vorrangig findet man dort längerfristige Fahrplanänderungen wie Baustellen oder Haltestellenverlegungen, aber als ich diese Zeilen tippe (17:20 Uhr) kann man dort auch folgende topaktuelle3 Info lesen:

Linie 1 * Folgende Fahrt ca. 18 Min. später * Weiden West 16:35h – Junkersdorf 16:43h –
Aachener Str. 16:50h – Neumarkt 17:00h – Bf Deutz/Messe 17:05h – Merheim 17:15h –
Brück Mauspfad 17:19h – Refrath 17:22h – Bensberg 17:30h *

So etwas wünsche ich mir auch für die SWB!

Natürlich ist es bei einer Störung oberste Priorität, diese zu beheben. Wenn ich als Kunde aber ungefähr weiß, was los ist und wie lange es wohl noch dauert4, bin ich halbwegs glücklich und kann mich ggf. darauf einstellen, noch etwas länger zu warten.

Eine automatisierte Ausleitung der Störungsinfos aus dem SWB-Verkehrsmanagementsystem wäre fantastisch. (Der Spaß heißt da offenbar ITCS.)

Und bis es soweit ist, gilt weiterhin:

Bitte Fahrplan beachten

  1. Mit “wir” meine ich Einwohner eines Gebiets mit gut ausgebautem ÖPNV – das Allgäu kann ich leider nicht darunter zählen.
  2. Durch das ausgeklügelte Bonner Liniennetz ist es auf vielen Strecken so, dass man mit zwei Linien an sein Ziel kommt, was die Taktfrequenz effektiv halbiert – tolle Sache.
  3. und das ist nicht ironisch gemeint
  4. Ein ehrliches “Wir wissen nicht, wie lang es noch dauert, sorry!” reicht mir persönlich völlig.