Allgemeine Betriebsinformation

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es jemand in der Chronologie der Beiträge vermisst:
Für den Eurovision Song Contest 2022 gibt nicht mehr den Vergleich von Jury- und Publikumsvoting. Die Jurys haben sehr eindrucksvoll demonstriert, dass ihr Voting nicht ernstzunehmen ist und dass sie ihrer Aufgabe, eine auf objektiven Kriterien basierende Bewertung der Beiträge abzugeben, nicht nachkommen können. Für einen Verarbeitung dieser Phantasiezahlen fehlt mir einfach die Motivation.

Für 2023 erübrigt sich auch der Vergleich in weiten Teilen, da in den Halbfinals das Juryvoting gar nicht mehr relevant ist.

ESC-Plotmania 2021

Da meine Plotgenerierskripte immer noch funktionieren, gibt es auch dieses Jahr eine grafische Aufarbeitung der Ergebnisse des Eurovision Song Contest 2021 in Rotterdam. Dieses Jahr habe ich sogar den Abruf der Ergebnisse von der Webseite geskriptet, und mir somit eine Menge händischer hin-und-her-Kopiererei gespart. Fortschritt!

Wer hat dieses Jahr eigentlich gewonnen?

ESC-Plotmania 2021
Mal wieder gibt es ein paar Ausreißer

Glücklicherweise hat sich der Lieblingsbeitrag des Publikums (Italien) ein weiteres Mal insgesamt durchsetzen können. Mit den Jurys ist es ja folgendermaßen: Wenn sie gleich entscheiden wie das Publikum, braucht man sie nicht, und wenn sie anders entscheiden als das Publikum braucht man sie ebenfalls nicht, weil welches Land will sich schon von fünf dahergelaufenen Hanseln die eigene Stimmabgabe invalidieren lassen.

Naja, jedenfalls. Als nächstes blicken wir freilich auf die historische Meisterleistung: UK mit 0 Punkten! Im letzten Bild ist das das Land ganz rechts ohne Balken.

ESC-Plotmania 2021
Uff.

Der Beitrag von James Newman war so unbeliebt, dass lediglich die polnische Jury ihm gaaaanz knapp keine Punkte gegeben hat. Überall sonst war es nicht einmal knapp. Schon hart.

Und Deutschland so?

ESC-Plotmania 2021
Auch uff, aber nicht so uff wie eben.

Die Publikumsränge sind deutlich höher als beim UK – davon kann man sich aber auch nichts kaufen. Die zwei Ausreißer bei der österreichischen und der rumänischen Jury verhindern, dass es bei 0 Punkten bleibt.

Am anderen Ende des Feldes1 sieht es hingegen so aus, dass Italien und Frankreich aus allen Ländern Publikumspunkte bekommen haben – nur die Juries waren wieder teilweise anderer Ansicht.

Das Publikum war übrigens nicht erst im Finale so ungroßzügig bei der Punktevergabe: Bereits im zweiten Halbfinale hieß es für Tschechien (ganz rechts im Bild): Nothing for you!

ESC-Plotmania 2021
Omaga you’re so rude

Schauen wir uns doch einmal die Jurybewertungen genauer an. Da jede Jury einmal in einem Halbfinale und dann im großen Finale abstimmt, haben wir für alle Jurymitglieder zehn Lieder, die sie zweimal bewertet haben – nämlich die, die es aus dem Halbfinale ins Finale geschafft haben. Betrachten wir nur die Rangfolge dieser zehn Beiträge untereinander, können wir sehen, wie sich ihre Bewertung durch die Jurys vom Halbfinale zum Finale geändert hat.

So eine Bewertungsänderung kann an vielen Dingen liegen. Eventuell wurde im Finale einfach viel besser oder schlechter gesungen. Oder ein Jurymitglied hat oben und unten verwechselt. Nicht, dass sowas vorkommen würde. Die sind ja geschult. Die haben eine einzige Aufgabe. Das kriegen die hin.

Jedenfalls.

Hier sind ein paar Beiträge mit Verschiebungen nach unten (das heißt mehr negative Werte rechts als positive Werte links):

ESC-Plotmania 2021
Von Startplatz 8 im Halbfinale auf Startplatz 1 im Finale
ESC-Plotmania 2021
Von Startplatz 11 im Halbfinale auf Startplatz 2 im Finale

Lag es nur an den ungünstigen Startplätzen im Finale? Vordere Startplätze erhalten statistisch gesehen weniger Punkte als hintere Startplätze. Vielleicht ist den beiden aber auch im Juryfinale ein Malheur passiert. Wer weiß.

Wo es Verliererinnen gibt, gibt es freilich auch Gewinner*innen:

ESC-Plotmania 2021
Ringlight-Rave let’s go!
ESC-Plotmania 2021
Kein Verkehrsunfall: Die Schweiz im Finale

Shum wird halt mit jedem Mal Hören besser. Und wenn man sich an die schweizerische Architektur gewöhnt hat, lässt sich die Performance vermutlich auch etwas besser aushalten.

Doch hoppla, was ist das denn für ein Ausschlag bei der Schweiz ganz links? Plus 9? Also vom letzten auf den ersten Rang? Schauen wir uns doch mal Juror “France B” genauer an.

eurovision.tv verrät uns, dass es sich um “Gilbert MARCELLUS” (sic) handelt. Wie lief es bei dem denn sonst so?

ESC-Plotmania 2021
Fast ein Treppchen

Das sieht schon fast verdächtig danach aus, als habe da wieder einmal jemand das Formular falsch herum ausgefüllt. Gilbert!

In einer anderen Darstellung stellt sich die Sache folgendermaßen dar:

ESC-Plotmania 2021
hmmmmmm…

Es ist keine einfache Umkehrung der Reihung aus dem Halbfinale, aber Jurymitglieder dürfen ihre Einschätzung eines Beitrags für das Finale natürlich anpassen. Dass die beiden Enden der Reihung praktisch Plätze tauschen, ist allerdings schon sehr, sehr verdächtig.

Nur mal zum Vergleich: So sieht das bei seiner Kollegin Géraldine Allouche (France C) aus:

ESC-Plotmania 2021
Order!

Gilbert. You had one job.

Alle Auswertungen gibt es wie üblich hier zum Download (ab sofort unter CC0):

  1. also am Anfang des Feldes

ESC 2021: Jury vs. Publikum

Wie schon 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 wollen wir – völlig überraschend – auch dieses Jahr einen Blick auf die detaillierten Ergebnisse des Eurovision Song Contest 2021 werfen und uns zwei Fragen widmen: Wer wurde von den Jurys abgestraft und vom Publikum nach vorn gevotet? Und bei wem ist es umgekehrt?

Die willkürlich gewählte Grenze für “signifikante” Verschiebungen liegt auch in diesem Jahr bei 5 Punkten, denn das haben wir schon immer so gemacht. (Das wird aber dieses Jahr noch lustig.) Zusätzlich werden die Beiträge betrachtet, bei denen auch geringere Verschiebungen Auswirkungen auf ihr Fortkommen im Bewerb hatten, beziehungsweise die im Finale in die / aus den Top 10 rutschen.

Zur Erläuterung: Im Abschnitt “Die Jurys1” betrachten wir, wie das Juryvoting sich auf die Endplatzierung eines Beitrags im Vergleich zum reinen Publikumsvoting ausgewirkt hat. Im Abschnitt “Das Publikum” hingegen betrachten wir, wie sich die Endplatzierung eines Beitrags durch das Publikumsvoting verbessert/verschlechtert hat im Vergleich zur Platzierung im Juryvoting.

Disclaimer: Dieser Blogartikel ist nicht Teil eines Experimentes der niederländischen Regierung!

Los geht es mit dem

1. Halbfinale

Hier die erste Überraschung: Unsere willkürliche 5-Punkte-Grenze können wir uns in die Haare schmieren, weil Jurys und Publikum bei keinem Beitrag derart verschiedener Meinung waren. Am stärksten hat Litauens Beitrag von der Publikumswertung profitiert, was die Platzierung immerhin um 4 Plätze (8 ↗ 4) verbessert hat.

Bei den Qualifikationen für das Finale gibt es allerdings einiges, was bemerkenswert ist.

Die Jurys

up 🇧🇪 Belgien (Hooverphonic – The Wrong Place) gewinnt 2 Plätze (11 ↗ 9)

down 🇭🇷 Kroatien (Albina – Tick-Tock) verliert 2 Plätze (9 ↘ 11)

Die Jurys tauschen ein abgespacetes silbernes Glitzerkleid durch ein schwarzes Kleid mit Achsellöchern aus. Dachten sich vielleicht “You’re in the wrong place”, höhö. Schade für Kroatien, das sich im Vorentscheid allerdings nicht einmal für den besten™ Beitrag entschieden hatte.

Das Publikum

up 🇦🇿 Aserbaidschan (Efendi – Cleopatra Mata Hari) gewinnt 3 Plätze (11 ↗ 8)

up 🇳🇴 Norwegen (TIX – Fallen Angel) gewinnt 2 Plätze (12 ↗ 10)

down 🇭🇷 Kroatien (Albina – Tick-Tock) verliert 1 Platz (10 ↘ 11)

down 🇷🇴 Rumänien (Roxen – Amnesia) verliert 3 Plätze (9 ↘ 12)

Das Publikum rettet den Beitrag mit der vermutlich größten Beinkleiddiversität ins Finale sowie die Gummischwanzträger*innen, die den angeketteten Engel eigentlich am Abheben hindern sollten.

ESC 2021: Jury vs. Publikum
v.l.n.r: Zwei Strümpfe, Ganzkörperstrumpf, keine Strümpfe, ein Strumpf, halbe Strümpfe

Dran glauben müssen dagegen eine vergessliche Rumänin und… Moment mal, Kroatien wurde doch bereits von der Jury runtergevotet? Und jetzt auch noch vom Publikum? So zeigt sich der kleine Schönheitsfehler unseres Bewertungsmaßstabs: Selbst wenn sowohl Jury als auch Publikum einen Beitrag eigentlich im Finale sehen, kann es durch bessere Bewertungen von anderen Beiträgen dazu kommen, dass der Beitrag verdrängt wird, aber beide mit dem Finger auf die Gegenseite zeigen können.

Doch lassen wir das erste Halbfinale nun hinter uns und blicken wir auf das

2. Halbfinale

Hier ist noch weniger los als im ersten Halbfinale. Fast schon traute Einigkeit herrscht bei der Frage, wer ins Finale soll und wer nicht. Fast.

Die Jurys

up 🇦🇱 Albanien (Anxhela Peristeri – Karma) gewinnt 1 Platz (11 ↗ 10)

down 🇩🇰  Dänemark (Fyr og Flamme – Øve os på hinanden) verliert 3 Plätze (8 ↘ 11)

Während im ersten Halbfinale noch ein silbernes Glitzerkleid rausgeworfen wurde, wird es hier durch die Jurys gerettet. Dafür fliegt die bunte dänische 80er-Band raus. Bedauerlich! (Zweiteres, nicht Ersteres)

Das Publikum

Das Publikum kann hier gar nichts ausrichten. Die Jury-Plätze 1-10 kommen ins Finale. Zwar wird versucht, den dänischen Beitrag zu pushen, aber es reicht nur für eine Verbesserung um 4 Plätze auf den undankbaren Halbfinalplatz 11.

Und damit haben wir sie auch schon, unsere 26 Beiträge für das große

Finale

Und: Endlich Beef zwischen Jurys und Publikum!

Die Jurys

up 🇲🇹 Malta (Destiny – Je me casse) gewinnt 7 Plätze (14 ↗ 7)

up 🇧🇬 Bulgarien (Victoria – Growing Up Is Getting Old) gewinnt 7 Plätze (18 ↗ 11)

up 🇵🇹 Portugal (The Black Mamba – Love Is on My Side) gewinnt 7 Plätze (19 ↗ 12)

down 🇷🇸 Serbien (Hurricane – Loco loco) verliert 6 Plätze (9 ↘ 15)

down 🇳🇴 Norwegen (TIX – Fallen Angel) verliert 5 Plätze (13 ↘ 18)

down 🇦🇱 Albanien (Anxhela Peristeri – Karma) verliert 5 Plätze (16 ↘ 21)

Wir fassen zusammen: Die Jurys mögen also:

  • fingertanzende Soul-Diven (ab in die Top 10 damit!)
  • langweilige Sandspielereien
  • dröge schwarz-weiß-4:3-Inszenierungen

und finden doof:

  • Windmaschineneinsatz und volles Haar (RIP Top-10-Platzierung)
  • angekettete Engel (wie bereits im Halbfinale)
  • die Albanierin im Auge des Sturms (anders als noch im Halbfinale)

Das Publikum

up 🖕 Finnland (Blind Channel – Dark Side) gewinnt 5 Plätze (11 ↗ 6)

up 🇱🇹 Litauen (The Roop – Discoteque) gewinnt 6 Plätze (14 ↗ 8)

up 🇷🇸 Serbien (Hurricane – Loco loco) gewinnt 6 Plätze (21 ↗ 15)

down 🇧🇬 Bulgarien (Victoria – Growing Up Is Getting Old) verliert 5 Plätze (6 ↘ 11)

down 🇵🇹 Portugal (The Black Mamba – Love Is on My Side) verliert 5 Plätze (7 ↘ 12)

down 🇮🇱  Israel (Eden Alene – Set Me Free) verliert 5 Plätze (12 ↘ 17)

down 🇧🇪  Belgien (Hooverphonic – The Wrong Place) verliert 6 Plätze (13 ↘ 19)

Das Publikum weiß die schlimmen Finger aus Finnland einfach mehr zu wertschätzen als die Jurys und verhilft ihnen zu einem Platz in den Top 10. Auch The Yellow Roop aus Litauen finden deutlich mehr Anklang und werden in die Top 10 gehievt. Richtig Beef gibt es bei Serbien, Bulgarien und Portugal, wo das Publikum mit der Einschätzung der Jurys so gar nichts anfangen kann und in die jeweils andere Richtung nachkorrigiert – was bedeutet, dass die bulgarische Sandkastenspiele und die Schwarzweiß-Mamba aus den Top 10 fliegen.

Israel findet trotz hoher Note nicht so richtig Anklang beim Publikum – war vielleicht das Outfit zu experimentell? Die Stimme zu angeschlagen? Oder die Aussprache zu boarisch (“let me take you hoiah, set de pläis on foiah”)? Und Belgien, von den Jurys noch ins Finale gerettet, wird ebenfalls abgestraft, den zweiten Wrong-Place-Witz sparen wir uns allerdings an dieser Stelle.

ESC 2021: Jury vs. Publikum
Hair-je, was für ein Dress.

Honourable Mentions

Großbritannien hat das Unmögliche möglich gemacht und tatsächlich im neuen2 Wertungssystem 0 Punkte geholt – etwas, was ich damals als sehr, sehr schwierig eingeschätzt hatte. Zitat: “getting zero points becomes very, very, very unlikely.” Glückwunsch?

Die Jurys wurden eigentlich mal eingeführt, um Punkteschacherei zwischen Nachbarländern einzudämmen. Wie effektiv das ist, zeigt sich daran, dass der Zwölfpunkteaustausch zwischen der griechischen und der zypriotischen Jury (!) inzwischen so ein Meme ist, dass sie als griechischen Punktesprecher lieber ein Kind vorschicken, und der zypriotische Punktesprecher das Ganze auch nicht mehr so ganz ernst zu nehmen scheint – mal abgesehen davon, dass bereits der ganze Saal weiß, was kommt.

Die einzig logische Konsequenz: Jurys abschaffen. Die stören nur die Willensbildung des Publikums.

  1. Jurys, das sind fünf von der jeweiligen Rundfunkanstalt ausgewählte Clowns, deren Fantasiebewertung 50 % der vergebenen Punkte ausmacht und deren Abschaffung ich hiermit erneut aus offensichtlichen Gründen fordere.
  2. Das ist immerhin auch schon wieder fünf Jahre alt