Wie man einen Verwaltungsrat besetzt

Der Verwaltungsrat des Studierendenwerks Bonn hat aktuell sieben Mitglieder. Durch das Inkrafttreten des Hochschulzukunftsgesetzes wird er jedoch ab 1. April 2015 aus folgenden neun Personen bestehen:

  • 3 Studierende der Uni Bonn
  • 1 Studierende der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
  • 1 “anderes Mitglied” der Uni Bonn
  • 2 Bedienstete des Studierendenwerks
  • 1 Person mit “einschlägigen Fachkenntnissen”
  • 1 Mitglied des Rektorats der Uni Bonn oder der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
  • 1 kooptiertes1 Mitglied der jeweils anderen Hochschule

Das kooptierte Mitglied ist im Studierendenwerksgesetz nicht vorgesehen, deshalb wollen wir es hier ignorieren. Ich sagte ja: Neun Personen.

So ein Verwaltungsrat sieht also folgendermaßen aus:

Der kleine Verwaltungsrat für die Hosentasche

Der kleine Verwaltungsrat für die Hosentasche.

Diese Mitglieder werden in der Regel von ihren jeweiligen Mitgliedergruppen gewählt oder ernannt. Die studentischen Mitglieder zum Beispiel werden jeweils von den Studierendenparlamenten der Uni Bonn (3) und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (1) gewählt.

Lustig wird das Ganze, weil das Hochschulzukunftsgesetz folgenden Absatz in § 5 – Bildung des Verwaltungsrates einfügt:

(3) Mindestens vier Mitglieder des Verwaltungsrats müssen Frauen sein.

Mehr steht da nicht. Wie wird das sichergestellt? In welcher Reihenfolge werden die Mitglieder gewählt, wer muss auf wen Rücksicht nehmen? Was passiert, wenn auf einmal weniger als vier Frauen gewählt werden? Die Antwort: “Tja.”

Wenn man sich nun überlegt, wie man sicherstellen kann, dass alle zwei Jahre2 auch wirklich mindestens vier Frauen in den Verwaltungsrat gewählt werden, dann stellt sich natürlich zunächst einmal die Frage, wie utopisch diese Situation denn eigentlich in der Realität (also ohne Quote) wäre.

Das hier ist der aktuelle Verwaltungsrat mit seinen sieben Mitgliedern:

Verwaltungsrat-current

Die Frauen tragen hier zur besseren Unterscheidbarkeit einen Hut.

Eins, zwei, viele… Huch! Bereits unter den sieben derzeitigen Mitgliedern sind vier Frauen. Und das ganz ohne Zwang! Verrückt.

Nehmen wir nun einmal idealisiert an, dass jedes gewählte Verwaltungsrats-Mitglied mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % eine Frau und mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % keine Frau ist.

Ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung verrät uns, dass der neunköpfige Verwaltungsrat dann jedes Mal mit einer Wahrscheinlichkeit von 74,6 % gesetzeskonform besetzt wäre. Das sind immerhin fast ¾.

Eine Besonderheit gibt es noch bei der Person mit “einschlägigen Fachkenntnissen”. Die wird nicht von ihresgleichen gewählt (wie soll das auch gehen), sondern von den restlichen Mitgliedern des Verwaltungsrats bestellt3. Das bedeutet, dass die acht gewählten Verwaltungsratsmitglieder selbst dann noch einen gesetzeskonformen Verwaltungsrat erschaffen können, wenn unter ihnen nur drei Frauen sind – indem sie eine Frau mit einschlägigen Fachkenntnissen bestellen.

Berücksichtigt man dies in den Berechnungen, dann wird ein mit zufällig ausgewürfelten Geschlechtern besetzter Verwaltungsrat in 85,5 % der Fälle korrekt besetzt, und kann sich in 63,6 % aller Fälle zusätzlich noch aussuchen, ob er eine Frau oder eine nicht-Frau mit einschlägigen Fachkenntnissen bestellen möchte4.

Soweit zur theoretischen Ausgangslage, die gar nicht mal so schlecht aussieht. Das Problem ist, dass Menschen (leider?) nicht so ganz probabilistisch veranlagt sind. Einfaches rejection sampling wird deshalb nicht klappen, weil die verschiedenen Gremien mutmaßlich darauf aus sein werden, wiederholt ihre Lieblingspersonen zu wählen. Die jedoch wechseln ihr Geschlecht in der Regel eher selten, weshalb eine Wiederholung des gesamten Auswahlvorgangs nicht unbedingt ein grundlegend anderes Ergebnis zur Folge haben wird. Die verschiedenen Stellen (Hochschulen, Beschäftigte, Studierendenparlamente) müssen also wohl oder übel miteinander reden und sich absprechen.

Man könnte alle zwei Jahre auf’s Neue auswürfeln, welche Plätze mit Frauen besetzt werden müssen und auf welche auch nicht-Frauen gewählt werden dürften. Dabei könnte es aber leicht passieren, dass ein Platz immer und immer wieder mit einer Frau besetzt werden muss, und die entsprechende Stelle sich, warum auch immer, benachteiligt fühlt.

Ideal wäre es, wenn jede Stelle “ihre” Posten paritätisch besetzen könnte. Das klappt aber nur so mittelprächtig, wenn man nur 1 Posten zur Verfügung hat. Auch bei ungerader Platzzahl (SP Uni Bonn) würde sich die Frage stellen, ob man jetzt mindestens eine oder mindestens zwei Frauen wählen sollte.

Als Alternative wäre folgende Vereinbarung zwischen allen Beteiligten denkbar:
Es werden maximal 6 Frauen gewählt. Jeder Posten, der bei einer Wahl mit einer Frau besetzt wird, wird zwei Jahre darauf mit einer nicht-Frau besetzt – und umgekehrt. Hat man bei einer initialen Verteilung mindestens vier und höchstens sechs Frauen untergebracht, so bleibt die gesetzliche mindestens-vier-Frauen-Vorschrift auch in den nächsten Jahren erfüllt. Als Nebeneffekt würde so auch eine Unterrepräsentation von nicht-Frauen im Verwaltungsrat verhindert.

Auch bei diesem System kann man natürlich behaupten, eine Person sei “nur gewählt worden, weil sie eine Frau ist”, und nicht etwa wegen ihrer Kompetenz. Selbiges gilt hier jedoch für nicht-Frauen.

Bleibt noch ein Problem: Das Mitglied des Rektorats der Uni Bonn oder der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist in der Regel die Kanzlerin oder der Kanzler. Das wären also ganze zwei Personen, aus denen man auswählen kann. Glücklicherweise ist die Kanzlerin der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg eine Frau und aktuell Mitglied des Verwaltungsrats. Im Allgemeinen könnte man aber diesen Platz aufgrund des sehr begrenzten Kandidierendenfeldes von der Wechselregelung ausnehmen.

So sähe das dann aus (Abbildung ähnlich).

So sähe das dann zum Beispiel aus (Abbildung ähnlich). Alle zwei Jahre glitzert es.

  1. Kooptiert heißt in diesem Fall, dass dieses Mitglied alles darf, außer abstimmen.
  2. die Amtszeit der Verwaltungsratsmitglieder beträgt 2 Jahre.
  3. Ob’s da auch einen Lieferdienst gibt? “Hallo, ich hätte gern eine Person mit einschlägigen Fachkenntnissen!” – “Macht 6,50 €”.
  4. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass er in 21,9 % der Fälle eine Frau bestellen muss und in 14,5 % die Vier-Frauen-Vorgabe nur noch durch eine oder mehrere Geschlechtsumwandlungen (oder Rücktritte) erfüllen kann.

Rüngler ist zurück

Die Wahl zum 37. Bonner Studierendenparlament ist vorbei, und naturgemäß gibt es dann ein Wahlergebnis.

Nämlich dieses hier:

Liste Sitze
JUSOS 17
RCDS 11
LHG 6
LUST 6
PIRATEN 3

Im letzten Jahr hatten findige Erbsenzähler herausgefunden, dass damals eine rechnerische SP-Mehrheit aus Juso-Hochschulgruppe und Ring Christlich-Demokratischer Studenten & Unabhängige (22 von 43 Sitzen) in manchen Ausschüssen keine Mehrheit der Sitze mehr besetzen dürfte. Ich fand diese Fragestellung sehr interessant und habe mich ebenfalls eingehender damit beschäftigt.

Auch in diesem Jahr tritt das Problem (so man es denn als solches betrachtet) wieder auf. Allerdings nicht beim 5er oder beim 7er-Ausschuss, sondern lediglich beim 9er-Ausschuss:

JUSOS 4 - PIRATEN 1 - LUST 1 - LHG 1 - RCDS 2

JUSOS 4 – PIRATEN 1 – LUST 1 – LHG 1 – RCDS 2

Die SP-Minderheit aus JUSOS und PIRATEN (20 von 43 Sitzen) hätte in einem 9er-Ausschuss mit 5 von 9 Sitzen eine Mehrheit. Oder anders formuliert: Eine SP-Mehrheit aus RCDS, LHG und LUST (hihi) wäre in einem 9er-Ausschuss in der Minderheit.

Betroffen davon sind zunächst nur der Wahlausschuss und ein möglicher Urabstimmungsausschuss, die restlichen Ausschüsse besitzen nur 5 oder 7 Sitze. Natürlich kann sich das neue Studierendenparlament neue tolle Ausschüsse ausdenken und die mit 9 Sitzen ausstatten. Ob das passiert, wird sich zeigen.

Und jetzt macht mit dieser Information, was ihr wollt.