Hinweis: In diesem Artikel stehen keine Argumente pro Merkelrücktritt oder pro Flüchtlingsaufnahme. Die finden Sie zum Beispiel hier oder hier.
Es müsste mein Religionslehrer der 5. und 6. Klasse gewesen sein, der uns einmal erklärt hat, weshalb es im alten Testament den scheinbaren Widerspruch gibt zwischen dem Gebot “Du sollst nicht töten” und den zahlreichen Kriegen des Volkes Israel gegen diverse Völker.
Die Begründung war recht simpel: “Du sollst nicht töten” bezog sich lediglich auf Angehörige des eigenen Volkes, ein Kriegsgegner aber war ein Feind und kein Mensch.
Diese Ungleichbehandlung von “uns” gegenüber “den anderen” ist etwas recht menschliches. Leider, aber ein “wir”-Gefühl erzeugt man nun einmal am einfachsten durch Abgrenzung gegenüber anderen.
In den letzten Tagen tauchen in meinen Social-Media-Feeds in der ein oder anderen Form immer wieder mal dieser Tweet auf:
Einmal am Tag nehme ich mir 5 Minuten Zeit und lache darüber, dass in Deutschland mal ein Kanzler wegen eines (1) Spions zurückgetreten ist.
— Malte Welding (@maltewelding) May 11, 2015
Etwas störte mich an dieser Aussage, und jetzt kann ich auch benennen, was das ist. Günter Guillaume war ein Spion der DDR, “von drüben”, hat also für “die anderen” spioniert. Der BND, auf den hier Bezug genommen wird, arbeitet aber der NSA zu, und “die Amerikaner” sind aus Sicht der Kanzlerin, anders als östliche Supermächte, unsere Freunde. Was wohl los wäre, wenn hingegen heraus käme, dass der BND für den SWR spioniert hat?
Und wo wir gerade bei Ost und West sind: In der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen, die aktuell in großer Zahl im Mittelmeer ertrinken, wird regelmäßig angeführt, dass die Integration dieser paar Bootsflüchtlinge gegenüber der Integration von wahlweise 12 Millionen Flüchtlingen nach Ende des 2. Weltkriegs oder 17 Millionen Wirtschaftsflüchtlingen1 nach der Wiedervereinigung ein Kinderspiel sei. Ich halte das für sehr wahrscheinlich, der Vergleich fühlt sich aber so falsch an, als würden Äpfel mit Pferdeäpfeln verglichen.
So einen Bootsflüchtling haben wohl die Wenigsten schon einmal in Echt gesehen, außerdem kann der Afrikaner (der zum Großteil aus Syrien kommt) ja kein Deutsch. Mit der Integration hat man’s vermutlich auch relativ schwer, wenn der eigene Asylantrag auch nach Monaten noch nicht abgelehnt, äh, bearbeitet wurde.
Die Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg waren im Gegensatz dazu kurz vorher noch ebenfalls Bewohnerinnen und Bewohner des deutschen Reiches gewesen und sprachen deutsch. Die Bürgerinnen und Bürger des anderen Deutschlands ebenfalls. Faszinierend ist auch, dass die Menschen aus der DDR mit der Wiedervereinigung plötzlich von “denen” zu “uns” wurden (und es, folgt man der Logik unserer Bundesregierung, ab da eigentlich völlig in Ordnung gewesen wäre, wenn sie uns großflächig abgehört hätten. Die Technik war ja vorhanden.)
Bleibt als gemeinsames Problem von 1945 und 2015 die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge. Und die sollte wirtschaftlich ja wohl kein Problem darstellen.
Vielleicht hinkt der Vergleich ja doch nicht so sehr.
- Dieses “Wirtschafts-” wird auch immer sehr gern betont. ↩