Sven Zemanek hat an der Uni Bonn fünf Jahre lang Wahlen zum Studierendenparlament organisiert. Damit nachfolgende Generationen von dieser Erfahrung profitieren können, entsteht die Artikelserie “Die kleine Wahlleiter”.
Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ist eine Campusuniversität. Problem: Der Campus heißt Bonn, und die Institute und ihre Studierenden sind über die ganze Stadt verteilt.
Um möglichst vielen Studierenden die einfache Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen, gibt es viele Wahllokale, die über die Universitätsstandorte verteilt sind. In jedem dieser Wahllokale müssen zu jeder Zeit mindestens zwei und im Normalfall drei Personen darauf achten, dass alles mit richtigen Dingen zugeht. Eine einfache Rechnung zeigt: Der Wahlausschuss alleine scheitert hier bereits zahlenmäßig an den Grenzen der Physik. Deshalb bedient er sich bei der tatsächlichen Durchführung der Wahl der Hilfe von Wahlhelfenden1.
Für ihre Tätigkeit erhalten Wahlhelfende eine Aufwandsentschädigung, die in den vergangenen Jahren konstant bei 8,30 € pro Stunde lag. Das liegt unter dem Mindestlohn, aber erstens ist eine Aufwandsentschädigung kein Lohn, und zweitens ist der Mindestlohn ja Brutto, und drittens ist der durchschnittliche Stundensatz für Wahlausschussmitglieder, wenn man ihn denn ausrechnen mag, üblicherweise noch geringer.
Der Wahlausschuss ist bei der Festlegung des Stundensatzes im Rahmen des haushaltstechnisch möglichen frei. Da die Wahl jedoch üblicherweise gemeinsam mit den Gremienwahlen durchgeführt wird und man sich die Wahlhelfenden teilt, wäre es sehr sinnvoll, sich vorher mit der Wahlleitung der Gremienwahlen abzusprechen.
Ein großer Teil der Organisation, der die Wahlhelfenden betrifft, wurde in den vergangenen Jahren von der Wahlleitung der Gremienwahlen übernommen. Das ist sehr nett und auch sinnvoll.
Ausschreibung
Die Studierenden werden informiert, dass Wahlen stattfinden und Wahlhelfende gesucht werden. Üblicherweise verschickt die Wahlleitung der Gremienwahlen eine E-Mail mit dieser Information an alle Studierenden. Als Anhang kommt direkt das Bewerbungsformular mit.
Darüber hinaus kann das Bewerbungsformular durch den Wahlausschuss noch weiter verteilt werden, beispielsweise als Download auf der Wahlausschuss-Webseite, als Flyer in der Mensa, als Teil der AStA-Zeitschrift.
Auf dem Bewerbungsformular sind neben den persönlichen Daten auch die Zeiten währen der Wahlwoche anzugeben, zu denen ein Einsatz möglich ist. Diese Zeitangaben sind für die Einteilung essenziell.
Personen, die im letzten Jahr bereits als Wahlhelfende eingesetzt waren und der Speicherung ihrer Daten zugestimmt haben, erhalten oft direkt per E-Mail ein eigenes Formular. Dahinter steht die Hoffnung, dass seit dem letzten Jahr nicht alles wieder vergessen wurde. Personen, die bereits Erfahrung haben, können anhand des Formulars identifiziert und ggf. bevorzugt eingeteilt werden.
Bewerbung
An üblicherweise zwei Tagen Anfang Dezember müssen die ausgefüllten Bewerbungsformulare dann persönlich im Büro der Gremienwahl-Wahlleitung abgegeben werden. Dabei ist auch ein Wahlausschussmitglied anwesend.
Die persönliche Abgabe erfüllt drei Funktionen. Erstens können die Angaben auf dem Formular mit dem Studierendenausweis und einem amtlichen Lichtbildausweis abgeglichen werden. Dabei haben sich beim Abgleich des Lichtbilds die hochwertigen Witze »Bitte einmal nicht lachen. *Person lacht* Bitte nicht lachen!« sowie »Bitte einmal den Bart abnehmen.« bewährt.
Zweitens ist es die perfekte Gelegenheit, den Bewerberinnen und -werbern noch mehr Zeitslots aufzuschwatzen, zu denen sie eingesetzt werden könnten. »Diese Lücke hier, hast du da eine Univeranstaltung oder könntest du da auch eingesetzt werden?« und »Das ist aber relativ wenig. Je mehr du ankreuzt, desto wahrscheinlicher ist es, dass du eingeteilt werden kannst« sind Sätze, die man dabei gut 100 mal am Tag sagt, und oft zeigen sie auch die erwünschte Wirkung.
Auf dem Formular kann auch angegeben werden, ob man gerne an der Auszählung der SP-Wahl oder der Gremienwahlen teilnehmen möchte (XOR). Die Teilnahme an beiden Auszählungen ist nicht möglich, weil nicht sinnvoll: Bis 1 Uhr oder länger auszählen und am nächsten Morgen bereits um 9 Uhr wieder fit und konzentrationsfähig sein ist relativ utopisch. Viele haben entweder keins der Felder ausgefüllt, weil sie es übersehen haben, oder direkt beide Felder angekreuzt. Hier müssen sie sich für maximal eine der beiden Optionen entscheiden.
Drittens möchte man in den Wahllokalen Personen sitzen haben, die vorbeilaufende Menschen aktiv und freudig ermutigen, ihre Stimme abzugeben. Hat man ein gutes Gedächtnis, kann man sich extrovertierte Personen direkt merken, um sie dann ggf. bevorzugt einzuteilen.
Belehrung
Die Wahlleitung der Gremienwahlen pflegt ein *blätter* 18-seitiges Heftchen, in dem alle relevaten Informationen für Wahlhelfende erklärt sind. Das bekommen die Wahlhelfenden in spe zugesendet, nachdem auch der Wahlausschuss noch einmal drübergeschaut und ggf. Inhalte angepasst hat.
An zwei Tagen im Dezember finden zusätzlich Belehrungen statt. An diesen ca. eineinhalbstündigen Terminen werden alle für die Wahlhelfenden relevanten Dinge in Vortragsform erläutert und anschließend Fragen beantwortet. Die Wahlhelfenden in spe müssen an mindestens einem der beiden Termine teilnehmen, um eingesetzt werden zu können. Bei der Belehrung geben sie außerdem noch auf einem Formular ihre Kontodaten an.
Es können nur belehrte Personen eingeteilt werden. Dies ist auch der Grund, weshalb die Belehrung üblicherweise bereits im Dezember stattfindet, und nicht etwa in der Woche vor der Wahl: Das Finden einer guten Einteilung benötigt einige Zeit, und die Wahlhelfenden bekommen so bereits hoffentlich noch im alten Jahr Bescheid, ob und wann sie eingesetzt werden.
Der Vortrag wird üblicherweise größtenteils von einem oder zwei Wahlausschussmitgliedern gehalten. Die Wahlleitung der Gremienwahlen ergänzt dann nur einige Dinge. Das hat historisch den Grund, dass die Vorgaben für die Sicherung der Studierendenparlamentswahl etwas rigoroser sind als für die Gremienwahlen. So wird zum Beispiel für die Studierendenparlamentswahl ein ganzes Urnenbuch geführt, bei den Gremienwahlen lediglich eine Strichliste.
Da ein großer Saal für die Belehrungen gebucht werden muss, gibt es terminlich meist wenig Spielraum.
Eventuell gibt es auch ein Online-Spielchen, mit dem die Ausgabe der Stimmzettel trainiert werden kann.
Auswahl
Die Auswahl und die Einsatzplanung hat in den vergangenen Jahren stets die Wahlleitung der Gremienwahlen übernommen, weshalb ich dazu inhaltlich nichts sagen kann. Aus Erzählungen von früher™ weiß ich aber, dass diese Aufgabe für ungelernte Kräfte mit sehr hohem Aufwand verbunden ist. Die Benachrichtigung der Wahlhelfenden über ihre Einsatzzeiten bzw. die Absage verschickt ebenfalls die Wahlleitung der Gremienwahlen.
Einsatz
An den vier Wahltagen hängt im Wahlbüro je ein riesiger “Stundenplan” mit den Einsatzzeiten der Wahlhelfenden. Diese hat die Wahlleitung der Gremienwahlen erstellt.
Nun geht es darum, diesen Plan einigermaßen einzuhalten oder anzupassen. Fallen Wahlhelfende aus, können sie durch zusätzlich eingeteilte Wahlhelfende ersetzt werden, die sogenannten “Springer”. Die sind für das Wahlbüro eingeteilt und können für Aufgaben im Umfeld des Wahlbüros (Urnentransport, Stimmzettel nachliefern etc.) eingesetzt werden, oder eben ausfallende Wahlhelfende in einem Wahlbüro ersetzen. Man muss Material- und Personalengpässe nur rechtzeitig erkennen und dann in Absprache mit der Wahlleitung der Gremienwahlen entsprechende Anweisungen erteilen. Natürlich freundlich!
Auszählung
Theoretisch könnte der Wahlausschuss die SP-Wahl alleine auszählen, da die Auszählung nicht mehr über die ganze Stadt verteilt stattfindet. Praktisch bedient er sich aber auch hier der Hilfe freiwilliger Minions aus der Studierendenschaft – andernfalls würde die Auszählung mutmaßlich2 viel zu lange dauern.
Es bietet sich an, hier eingeteilte Wahlhelfende heranzuziehen, die auf ihrer Bewerbung angekreuzt haben, dass sie die SP-Wahl auszählen möchten. Der Kreis der in Frage kommenden Personen ist aber nicht auf diese Gruppe beschränkt.
In den vergangenen Jahren haben wir währen der Wahlwoche immer solche Wahlhelfende angesprochen, ob sie bei der Auszählung helfen möchten. Ich vermute aber inzwischen stark, dass die Qualität der Auszählhelfenden nicht unbedingt geringer wäre, wenn die Auswahl als Auszählhilfe parallel zur Einteilung der Wahlhelfenden passieren würde. Die Wahlleitung der Gremienwahlen wählt so seit Jahren ihre Auszählhelfenden aus. Ich würde daher empfehlen, das auch mal so auszuprobieren.
Bei der Auszählung empfiehlt es sich, Auszählteams von ca. 5-7 Personen zu bilden, die den Abend über zusammenarbeiten. Jedes Team hat ein Mitglied als Teamleitung, die besondere Aufgaben im Team übernimmt, beispielsweise die Ergebniserfassung. Die Teamleitungen sollten ebenfalls im Vorhinein ausgewählt werden und im Idealfall
- kompetent sein
- führungsstark sein
- schon einmal eine Wahl ausgezählt haben
- die Anweisungen des Wahlausschusses umsetzen können
Die Teamleitungen sollten vor der Auszählung gesondert in den Ablauf eingewiesen werden. Zum Ablauf selbst gibt es mehr Informationen im Kapitel “Auszählung”.
Geld
Die Abrechnung für die Wahlwoche übernimmt die Universitätsverwaltung. Die Studierendenschaft erhält am Ende lediglich eine Rechnung über die Hälfte des Gesamtbetrags.
Die Auszählung wird von der Studierendenschaft selbst abgerechnet. Hierzu müssen für jede Person, die an der Auszählung beteiligt ist, die Kontodaten erhoben werden sowie der Zeitraum, in dem sie eingesetzt war. Die Liste mit Namen, Kontodaten, Einsatzzeiten und Überweisungsbeträgen erhält am Ende das Finanzreferat des AStA, welches die Überweisungen tätigen wird, falls alles passt.