Was ich aus Fachschaftswahlprüfungen lernte

Für mittlerweile fast ein Jahr durfte ich den Wahlprüfungsausschuss der Fachschaftenkonferenz leiten. Er ist für Einsprüche gegen die Richtigkeit von Fachschaftswahlen zuständig. Das war nicht immer so: Erst seit 2014 gibt es einen eigenen Wahlprüfungsausschuss für Fachschaftswahlen, zuvor lag das im Aufgabenbereich des Ältestenrats. Die Studierendenparlamentswahl wird jedes Jahr standardmäßig von ihrem Wahlprüfungsausschuss geprüft. Der Wahlprüfungsausschuss der Fachschaftenkonferenz hingegen wird nur tätig, wenn eine Wahl angefochten wird, oder wenn er eine Wahl “stichprobenartig” auf ihre ordnungsgemäße Durchführung überprüft.

Was habe ich nun in diesem Jahr gelernt?

Keine Wahl ist perfekt.

Zwölf Fachschaftswahlen haben wir als Stichprobe geprüft. Warum so viele? Das ist immerhin fast ein Drittel aller Fachschaften. Nun, zum einen wurde im Vorjahr gar nichts stichprobenartig geprüft, und zum anderen steht wieder einmal eine Überarbeitung der Fachschaftswahlordnung an. Dafür ist es sicher sinnvoll, sich einmal anzusehen, wie die Fachschaften ihre Wahlen aktuell durchführen und wo Probleme sind.

Von den zwölf geprüften Wahlen gab es nur eine, bei der nicht mindestens das Endergebnis neu aufgestellt werden musste. Der Rest hatte mehr oder weniger gravierende Mängel, von nicht erfüllten formalen Vorgaben bis hin zu grobem Unfug.

Niemand ficht eine Fachschaftswahl an.

Die genaue Zahl der Wahlanfechtungen: 0. In der Regel hat aber auch niemand Interesse daran, eine Wahl anzufechten, denn: Oft wird gewählt, wer sich bewirbt. Und selbst wenn nicht, macht man sich mit einer Wahlanfechtung höchstens unbeliebt.

Der Sonderfall ist der Normalfall.

Die Fachschaftswahlen sind grundsätzlich Listenwahlen. Tritt aber nur eine Liste an oder gibt es weniger Kandidierende als oder gleich viele Kandidierende wie Plätze zu besetzen sind, dann wird stattdessen eine Mehrheitswahl1 durchgeführt. Außerdem darf dann jede wahlberechtigte Person auf den Stimmzettel geschrieben werden, um die Stimme für sie abzugeben. Das soll ermöglichen, dass trotzdem alle Sitze besetzt werden und das Ergebnis nicht zwangsläufig von vorn herein feststeht.

Es gab genau eine Wahl mit gegeneinander antretenden Listen und genug Kandidierenden. Beim Rest: Wahlverfahren im Sonderfall oder Duell der Einzellisten.

Kandidierende kennen die Wahlordnung nicht.

Oft gab es den Fall, dass eine Reihe von Einzelkandidaturen mit eigenen Unterstützungsunterschriften statt einer gemeinsamen Liste eingereicht wurden. Das hat zwei große Nachteile für die Kandidierenden:

  1. Es müssen insgesamt mehr Unterstützungsunterschriften gesammelt werden (für eine Liste benötigt man unabhängig von der Größe fünf Unterschriften)
  2. Es kann passieren, dass eine Person mit vielen Stimmen mehrere Sitze bekommt, die bleiben dann unbesetzt. Außerdem nimmt man dadurch möglicherweise einer Person mit weniger Stimmen den Platz weg.

Wenn man sich, wie das in Fachschaften üblich ist, lieb hat, ist das alles sehr unschön. Deshalb: Eine Liste bilden, gemeinsam antreten, Aufwand und Ärger sparen.

Niemand liest die Wahlordnung.

Nun ist es erwartbar, dass Kandidierende die Wahlordnung nicht kennen. Die wollen ja nur gewählt werden, aber sonst mit der nervigen Wahl nichts am Hut haben. Überrascht hat dann doch, dass auch Wahlausschüsse die Wahlordnung gelegentlich als Dokument behandeln, in das man halt mal reinschaut, wenn einem danach ist. Plakativstes Beispiel ist das Endergebnis: In der Wahlordnung befindet sich eine einfache Liste der Angaben, die das Endergebnis enthalten muss. Die Mehrzahl der geprüften Fachschaftswahl-Endergebnisse erfüllte diese Vorgaben nicht.

Auch beim Sonderfall (siehe oben) müsste der Wahlausschuss eigentlich “das Nähere” zur Mehrheitswahl festlegen. Ist praktisch auch nie passiert.

Urnenbuch? Nie von gehört.

Ein Urnenbuch dokumentiert den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahlwoche. In ihm wird vermerkt, wer an der Urne gewählt hat, welche Wahlhelfenden die Urne zu welchen Zeiten beaufsichtigt haben, und wann die Urne geöffnet und geschlossen wurde. Auch wenn die Wahlordnung das Führen eines Urnenbuchs vorschreibt: In weniger als der Hälfte der Fälle haben wir tatsächlich eins bekommen. Oft wurden lediglich Namen im Wählerverzeichnis abgehakt/durchgestrichen. Da das beim Wahlverfahren im Sonderfall (siehe oben) aber ausliegen muss, damit Wahlwillige die Möglichkeit haben, einen Namen für das Freifeld auszusuchen, ist das aus Sicht des Wahlgeheimnisses2 nicht so prickelnd. Mal abgesehen davon, dass dann auch oft nicht dokumentiert wurde, wer wann die Urne beaufsichtigt hat.

Man glaubt nicht, was man bei Stimmzetteln alles falsch machen kann.

So ein Stimmzettel ist recht schnell entworfen: Name der Wahl drauf, Liste der Kandidierenden, Ankreuzfeldchen, ausdrucken, fertig. Sollte man meinen.

Gut wäre noch, wenn die einzelnen Stimmzettel nicht voneinander unterscheidbar wären.

Oft sind sie das aber.

Da gibt es zwei, drei Fachschaften, die lassen ihre Stimmzettelbögen offenbar von einer Kindergartengruppe zurechtschneiden. Ein Standardsatz lautete daher:

Es wird dringend empfohlen, die Stimmzettel professionell herstellen, oder mindestens durch geeignetes Gerät schneiden zu lassen.

Diese Exemplare konnte man sogar wieder zu DIN-A4-Bögen zusammensetzen. (Die Unschärfe ist Absicht.)

Diese Exemplare konnte man sogar wieder zu DIN-A4-Bögen zusammensetzen. (Die Unschärfe ist Absicht.)

Oder die eine Fachschaft, bei der auf der Hälfte der Stimmzettel eine Kandidatin fehlte, die dann handschriftlich nachgetragen wurde. WTF?

Oder die eine Fachschaft, bei der ein Name einen Tippfehler enthielt, der aber auf der Hälfte der Stimmzettel handschriftlich korrigiert wurde.

Oder die eine Fachschaft, die bei einer Mehrheitswahl ein Ankreuzfeld für Listenstimmen auf dem Stimmzettel hatte. Was uns zum nächsten Punkt bringt:

Die Wahlordnung ist aktuell nichts für Laien

Gibt es bei einer Mehrheitswahl Listenstimmen? Fragen Sie mal die Fachschaft Physik. Oder den Ältestenrat. Tipp: Die Experten3 sagen “Hä, nein”.

Die Wahlordnung ist aktuell teilweise schwammig.

Wie viele Personen sind eigentlich bei der direkten Wahl des Fachschaftsrats zu wählen? Also ich weiß es nicht.

Wir waren verdammt nett.

Bei vielen geprüften Wahlen kann man die formalen Fehler nicht mehr an zwei Händen abzählen. Das sind aber auch so viele Fristen und Beschlüsse, die getroffen und eingehalten werden müssen! Eine Wahl muss jedoch dann nicht (teilweise) wiederholt werden, wenn ein Fehler sich nicht auf die Sitzverteilung ausgewirkt hat. Der Wahlprüfungsausschuss hat diese Regel sehr großzügig ausgelegt, und ging bei den meisten formalen Fehlern davon aus, dass eben die Auswirkung auf die Sitzverteilung wohl nicht gegeben sei.

Für drei Wahlen hat er aber eine Wahlwiederholung empfohlen, weil die Auswirkung auf die Sitzverteilung wahrscheinlich war. Zwei dieser Fachschaften haben die Fachschaftenkonferenz durch viel Handwaving und “ist doch nicht so schlimm und überhaupt die Wahlordnung ist voll unklar” davon überzeugt, keine Wahlwiederholung zu beschließen. Da zeigte sich, dass der Fachschaftenkonferenz die Vermeidung von Aufwand wichtiger ist als eine ordentlich durchgeführte Wahl. Die dritte Fachschaft hat mittlerweile ihre Wiederholungswahl recht erfolgreich hinter sich.

Niemand mag Briefwahl.

Niemand mag Briefwahl. Macht nur Arbeit.

Und nun?

Nun schauen wir, das die Reform der Fachschaftswahlordnung bringt. Eins ist jedoch sicher: New Bugs and Features!

  1. Fragt mal die Fachschaft Physik, was das ist.
  2. In diesem Fall: Hat XYZ schon gewählt?
  3. Ja, auch ich bin einer dieser Experten

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