Wenn man sich für ein Stipendium bewirbt, darf man je nach Institution mal mehr, mal weniger die Hosen runterlassen. So soll man bei der Bewerbung für das Deutschlandstipendium lediglich einen tabellarischen Lebenslauf liefern und ein Motivationsschreiben, in dem man darlegt, weshalb man unbedingt genau dieses Stipendium bekommen will. Die Studienstiftung des deutschen Volkes hingegen will gleich noch die halbe Familiengeschichte durchleuchtet haben.
Was beide gemein haben, ist folgendes: Den Bewerbungsunterlagen soll ein Lichtbild beigefügt werden.
Nun haben wir ja alle in der weiterführenden Schule beim Bewerbungstraining mindestens dreimal gehört, dass Unternehmen heutzutage oft explizit kein Lichtbild anfordern und die Mappen ggf. sogar noch weiter anonymisieren, um die Bewerberinnen und Bewerber in der Vorauswahl wirklich nur nach Leistung zu sortieren.
Da mutet es doch seltsam an, wenn diese einfache Maßnahme von zwei Institutionen nicht angewandt wird, die jungen Menschen abhängig von ihrer Leistung letztlich Geld hinterher werfen wollen.
Ich habe also in einer freien Minute die Studienstiftung des deutschen Volkes in Bonn und die Bonner Universitätsstiftung (bei der man sich für das Deutschlandstipendium bewerben musste) kontaktiert und mal nachgefragt, welche höheren Zwecke sie mit dem Sammeln von Bildern junger Menschen verfolgen:
Subject: Lichtbild Bewerbung [Studienstiftung|Deutschlandstipendium]
Sehr geehrte Damen und Herren,
dem Bewerbungsbogen [für die Aufnahme in die Studienstiftung des deutschen Volkes ist|um das Deutschlandstipendium war] Ihren Angaben nach ein Lichtbild beizufügen.
Gibt es hierfür einen spezifischen Grund und wäre es im Sinne der Gleichbehandlung nicht sinnvoller, auf die Zusendung eines Lichtbilds zu verzichten?
Mit freundlichen Grüßen
Die stv. Geschäftsführerin der Universitätsstiftung erklärte in ihrer Antwort, sie könne nicht ganz nachvollziehen, was das anfordern von Lichtbildern mit der Gleichbehandlung zu tun habe, es gehe jedoch rein um Leistung. Das Foto spiele “eine untergeordnete Rolle” und sei “nicht Bestandteil des Auswahlprozesses”. Vielmehr wolle man einfach die eigenen Akten vervollständigen (???) und die Stipendiaten direkt optisch erkennen können.
Die Antwort der Studienstiftung fiel recht knapp aus, legte aber noch eine Schippe drauf: Man benötige die Bilder zur Identifikation der Teilnehmer auf den Auswahlseminaren. Zitat: “man könnte ansonsten theoretisch auch jemand anderen in seinem Namen zum Seminar schicken”, und die Überprüfung anhand der Personalausweise sei zu aufwändig.
Jetzt mal ernsthaft. Wenn ich meinen Freund Horst zum Seminar schicken kann (Grüße an Horst an dieser Stelle), kann ich auch ein Bild von Horst mitschicken. Wenn der mir auch noch ähnlich sieht, wer soll das schon merken. Und was bitte daran aufwändiger sein soll, 50 Gesichter auswendig zu lernen, als eben beim Check-In 50 Personalausweise zu kontrollieren, weiß ich auch nicht. Mal abgesehen davon, dass ich immer noch selbst entscheiden will, wem ich erzähle, wie ich eigentlich heiße. Ich will nicht von irgendwelchen Stiftungsonkels und -tanten die ich vorher noch nie gesehen habe den Wirtschaftstalentscouts mit Name, Alter und Farbe der Lieblingsunterhose vorgestellt werden.
Was man bei der Studienstiftung als wohl einziges Argument anbringen könnte: Wer vorgeschlagen wird und sich bewerben darf, bekommt bereits sicher einen Platz in einem Auswahlseminar. Auf diesem Seminar sieht man die Bewerber dann sowieso in natura. Das Lichtbild hat also keinen Einfluss auf die Chance, eingeladen zu werden. Das allein bedeutet allerdings noch lange nicht, dass es überhaupt nötig ist, ein Lichtbild zu bekommen, und wenn ich bei der Beratung ständig ein nettes Lächeln vor mir liegen habe, sagt mein Herz dann unabhängig vom Hirn nicht ein bisschen mehr “nimm den!” als zu dem mit dem grimmigen Grinsen, der schon alles Leid der Welt gesehen hat?
Ich überleg mir noch, was ich denen schicke.
Hab da schon einen heißen Kandidaten.