ESC 2014: Jury vs. Publikum

Vor ca. einem Jahr habe ich mir für den Eurovision Song Contest 2013 angesehen, welche Beiträge vom Publikum und den Jurys, nun ja, “unterschiedlich bewertet” wurden.

Direkt nach dem ESC 2014 wurden nun von der EBU detaillierte Einzelergebnisse veröffentlicht (sogar als Excel-Dateien – nett). Somit kann ich den Spaß dieses Jahr wiederholen.

Vorher möchte ich aber noch auf einen Artikel von Holger Dambeck verweisen – der hat sich ebenfalls mit den Voting-Ergebnissen des diesjährigen ESC beschäftigt und ein paar aufschlussreiche Grafiken erstellt. Highlight: Eine Übersicht darüber, ‘Wo die Fans “polnischer Folklore” wohnen’.

Auch dieses Jahr schauen wir uns an, wo das Voting der Jury oder des Publikums das jeweils andere Voting im Endergebnis “signifikant” verschiebt – also um mindestens 5 Plätze oder so weit, dass es für’s Finale reicht. Auch in diesem Jahr ist die 5 eine willkürlich gewählte Grenze.

Halbfinale 1

Die Jurys

down Portugal (Suzy – Quero ser tua) verliert 5 Plätze (6 ↘ 11)

up Montenegro (Sergej Ćetković – Moj Svijet (Мој свијет)) gewinnt 5 Plätze (12 ↗ 7)
up Aserbaidschan (Dilara Kazimova – Start a Fire) gewinnt 4 Plätze (13 ↗ 9)

Während das Publikum auf das doch seehr durchsichtige… Kleid? Oder ist das eine Körperbemalung? …hereinfällt, lassen sich die Jurys nicht beirren und werfen Portugal aus dem Finale – zurecht! Schließlich wurde die goldene Regel nicht beachtet: Keine Trommler oder keine Schuhe! (Wir erinnern uns da an letztes Jahr.) Und abgesehen davon wirkt die Sängerin auch sehr unmotiviert.
Dafür schaffen es Montenegro (Mäuschen!) und Aserbaidschan (etwas zu viel Gejaule für meinen Geschmack) durch die Jurypunkte ins Finale.

Das Publikum

down Albanien (Hersi – One Night’s Anger) verliert 6 Plätze (9 ↘ 15)

up Russland (Tolmatschowa-Schwestern – Shine) gewinnt 5 Plätze (11 ↗ 6)

Albanien fliegt durch das Publikum aus dem Finale – ob es am Fake-Tattoo oder am fehlenden Farbwechsel lag, man weiß es nicht. Dafür rücken Russlands Haar-Artistinnen nach (trotz Buhrufen in der Halle). Interessant: In der Jurywertung lag Russland auf dem 11. Platz, in der Publikumswertung lediglich auf dem 7. Platz – in der Gesamtwertung liegt Russland dann jedoch auf Platz 6. Da waren offenbar viele gute Einzelwertungen dabei.

Halbfinale 2

Die Jurys

down Polen (Donatan & Cleo – My Słowianie (We Are Slavic)) verliert 6 Plätze (2 ↘ 8)

up Malta (Firelight – Coming Home) gewinnt 5 Plätze (14 ↗ 9)

Die Jurys haben insgesamt wenig für großbrüstige Polinnen übrig (siehe Artikel von Holger Dambeck). Malta hingegen schafft es durch die Unterstützung der Jurys ins Finale.

Das Publikum

down Malta (Firelight – Coming Home) verliert 6 Plätze (3 ↘ 9)
down Mazedonien (Tijana Dapčević – To the Sky) verliert 6 Plätze (7 ↘ 13)

up Schweiz (Sebalter – Hunter of Stars) gewinnt 6 Plätze (10 ↗ 4)

Malta wird vom Publikum abgestraft, kann sich aber im Finale halten – für Mazedonien gilt letzteres nicht. Da helfen auch Sturmfrisur und Kapuzenhampelmann nichts. Bei Mazedonien haben wir nun das umgekehrte Phänomen zu Russland oben: In der Jurywertung auf Platz 7, beim Televoting auf der 12, insgesamt jedoch auf Platz 13.
Was an Sebalter so toll sein soll, verstehe ich bis heute nicht. Das Publikum findet den pfeifenden Zimmermann mit dem komischen Namen offensichtlich toll.

Finalöööö

Ich sag nur: Uiuiui.

Die Jurys

down Schweiz (Sebalter – Hunter of Stars) verliert 6 Plätze (7 ↘ 13)
down Polen (Donatan & Cleo – My Słowianie (We Are Slavic)) verliert 9 Plätze (5 ↘ 14)
down Weißrussland (Teo – Cheesecake) verliert 5 Plätze (11 ↘ 16)
down Griechenland (Freaky Fortune feat. Risky Kidd – Rise Up) verliert 7 Plätze (13 ↘ 20)

up Ungarn (András Kállay-Saunders – Running) gewinnt 5 Plätze (10 ↗ 5)
up Norwegen (Carl Espen – Silent Storm) gewinnt 6 Plätze (14 ↗ 8)
up Spanien (Ruth Lorenzo – Dancing in the Rain) gewinnt 7 Plätze (17 ↗ 10)

Die Jurys können sich im Finale offenbar nicht für pfeifende Zimmermänner, Polinnen hard at work, Käsekuchen und Trampoline begeistern. Was für eine bunte Mischung. Dafür wirkt der Trick mit den nassen Haaren ganz vorzüglich, der Norweger mit dem stillen Sturm bewegt ihr Herz und den Läufer aus Ungarn mit dem Theaterstück auf der Bühne finden sie auch dufte genug, ihm einen kleinen Push zu geben.

Das Publikum

down Finnland (Softengine – Something Better) verliert 6 Plätze (6 ↘ 12)
down Aserbaidschan (Dilara Kazimova – Start a Fire) verliert 13 Plätze (9 ↘ 22)
down Malta (Firelight – Coming Home) verliert 18 Plätze (5 ↘ 23)

up Ukraine (Marija Jaremtschuk – Tick-Tock) gewinnt 6 Plätze (12 ↗ 6)
up Russland (Tolmatschowa-Schwestern – Shine) gewinnt 6 Plätze (13 ↗ 7)
up Rumänien (Paula Seling & Ovi – Miracle) gewinnt 5 Plätze (16 ↗ 9)
up Schweiz (Sebalter – Hunter of Stars) gewinnt 9 Plätze (22 ↗ 13)
up Polen (Donatan & Cleo – My Słowianie (We Are Slavic)) gewinnt 6 Plätze (23 ↗ 14)

O-ha. Dass das Publikum nicht so begeistert von den Darbietunge Aserbaidschans und Maltas ist, wissen wir ja schon. Die beiden aber aus den Jury-Top-Ten gleich um 13 (Aserbaidschan) bzw. gar um 18 Plätze (armes Malta) nach hinten zu verbannen, ist schon extrem hart. Da ist die Herabstufung von Finnland ja noch nett dagegen.
Die Fans von polnischer Folklore und Schweizer Gepfeife können sich im Finale nicht mehr gegen das vernichtende Urteil der Jurys durchsetzen, und so bleibt es trotz eines kräftigen Schubs bei einer Platzierung außerhalb der Top Ten. Dass das rumänische Rundklavier tatsächlich Stimmen an Land gezogen hat hat, kann ich auch jetzt noch nicht richtig glauben. Russland wird vom Publikum in die Top Ten versetzt (politische Abstimmung am Arsch, Herrschaften!) und die Ukraine rollt samt Hamsterrad (♥ für das Hamsterrad) ebenfalls auf einer Welle der Publikumsbegeisterung in die Top Ten. Vielleicht lag’s aber auch hier lediglich am Dekolleté.