Zählen wie die Profis

Zum heutigen Ostersonntag habe ich mich auf eine Eiersuche der besonderen Art begeben. Dazu bin ich an diesem sonnigen Tag in die düsteren Archive der Uni Bonn hinabgestiegen – nun gut, nicht direkt, sondern lediglich in den digitalisierten Teil.

Wenn das Studierendenparlament die Satzung der Studierendenschaft ändert, dann verabschiedet es zu diesem Zweck eine Änderungssatzung. Sozusagen eine Satzungsänderungssatzung (das heißt wirklich so).

Die aktuell gültige Fassung unserer Satzung ist durch ein Dokument mit dem wohlklingenden Namen “Dritte Änderungssatzung und zugleich Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn” entstanden. Da unser Studierendenparlament kürzlich 50-jähriges Jubiläum feierte, kann man sich natürlich fragen, ob diese Zahl (drei) da nicht ein bisschen gering erscheint. Eine Recherche in den amtlichen Bekanntmachungen der Universität Bonn bringt die Dokumente der folgenden Tabelle hervor und, soviel sei vorab schon einmal verraten, es sind mehr als drei. Unter der Tabelle geht es mit ein paar Beobachtungen weiter.

Datum Titel Zahl Kommentar URL
07.01.1974 Änderung der Satzung der Bonner Studentenschaft Mehrteilige AB http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/57364
27.05.1987 Satzung der Studentenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/127917
19.12.1994 Satzung zur Änderung der Satzung der Studentenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 19. Dezember 1994 – 1. Satzungsänderungssatzung 1  FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/125608
14.01.1998 Zweite Satzung zur Änderung der Satzung der Student/inn/enschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 2 Gendering+ http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/65583
02.07.1998 3. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 3  FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/24212
11.11.1999 Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Satzung’78+1+2+3 http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/24162
09.11.2001 4. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 4 FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/24017
18.04.2002 5. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 5 Dienstsiegel http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23600
12.02.2003 6. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 6 Nachrücken + Stellvertretung http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23502
21.02.2003 Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Neufassung’99 + 4+5+6 http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23505
06.04.2004 Satzung zur Änderung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn FS-Liste + AKUT http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23444
18.12.2006 Zweite Satzung zur Änderung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhems-Universität Bonn 2 FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23025
16.10.2013 Dritte Änderungssatzung und zugleich Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 3 Letzte gültige Fassung http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/119590

Diese Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zumal vor 1987 offensichtlich etwas fehlt. Gehen wir mal davon aus, dass die Satzung vom 27.05.1987 die “Urmutter” unserer heutigen Satzung der Studierendenschaft ist, und ich alle Änderungen und Neufassungen seitdem gefunden habe.

Offenbar wurden im Abstand von jeweils 3 Änderungssatzungen immer eine Neufassung veröffentlicht, also eine Gesamtfassung des Textes, in der alle Änderungen eingepflegt wurden. Das erleichtert die Lesbarkeit der Satzung enorm, da man dann nicht immer einen Haufen Änderungssatzungen neben den Satzungstext legen muss.

Nach 1987 haben wir drei Änderungssatzungen – eine 1994 und zwei 1998. Im Jahr darauf erscheint eine Neufassung, die diese drei Änderungen beinhaltet.

2001, 2002 und 2003 wird die Satzung wieder geändert, und auch diese Änderungen werden in einer Neufassung von 2003 zusammengefasst. Bis hierhin ist die Zählung sehr konsistent: 1. Änderung, 2. Änderung, 3. Änderung, Neufassung, 4. Änderung, 5. Änderung, 6. Änderung, Neufassung.

Im Jahr 2004 wird eine weitere Satzungsänderungssatzung beschlossen. Diese ändert aber scheinbar nicht mehr die Satzung, sondern die Neufassung der Satzung. Auf eine Nummerierung wird verzichtet, implizit ist es also wohl die erste Änderung der Neufassung.

Dass 2006 auf die implizit erste die explizit zweite Änderungssatzung der Neufassung folgt, ist relativ logisch. “Relativ”.

2013 dann, die Studierenden die die Änderungen 2004 und 2006 verbrochen haben sind schon lange weg1, folgt der bisherige Höhepunkt der Nummerierungsposse: Die “dritte” Änderungssatzung, die aber nicht mehr die Neufassung der Satzung ändert, sondern die Satzung selbst (die ja schon die 6. Änderungsordnung hinter sich hat, wir erinnern uns), und gleichzeitig selbst eine Neufassung ist. Verrückte Welt.

— Exkurs —

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf einen Punkt eingehen, den diese letzte Neufassung umgesetzt hat (es war nicht alles schlecht!). In der Kommentarspalte habe ich grob notiert, welchen Inhalt die jeweiligen Dokumente haben. Fünf der neun Satzungsänderungen beinhalten eine Änderung der Fachschaftenliste, also der Tabelle, die bestimmt, welche Fächer zu welcher Fachschaft zugeordnet sind. Wenn nun ein neues Studienfach auftaucht, dessen Studierende einer Fachschaft zugeordnet werden müssen, dann kann dieser Prozess gut und gerne mal ein Jahr dauern: Zunächst muss die Satzungsänderung geschrieben werden, dann muss das Studierendenparlament sie auf zwei Sitzungen lesen und beschließen, und zuletzt wird sie noch vom Rektorat geprüft und dann veröffentlicht. Und das dauert regelmäßig länger, als man als vernünftig denkender Mensch annehmen würde, wie ein Blick ans Ende der Satzungsänderung von 1994 zeigt:

Bla

Einzige Änderung dieser Änderungssatzung: Eine neue Fachschaftenliste. Siebeneinhalb Monate Prüfzeit dafür sind einfach lächerlich.

Die Satzungsänderung von 2013 hat unter anderem diese Fachschaftenliste in die Geschäftsordnung der Fachschaftenkonferenz ausgelagert. Damit ist eine Änderung der Fachschaftenliste keine Änderung der Satzung mehr, das Rektorat bleibt außen vor und die Änderungen gehen seither um einiges zügiger über die Bühne. Yay!

— Ende Exkurs —

Ausnahmsweise machte ich diese Satzungsrecherche heute aber nicht zu Spaß, sondern mit einem halbernsten Hintergrund: Die nächste Satzungsänderung steht an. Der Satzungs- und Geschäftsordnungsausschuss des Studierendenparlaments hat sie dem Studierendenparlament bereits empfohlen. Und da stellt sich die Frage: Die wievielte Satzungsänderung ist das denn nun? Die Daten habe ich geliefert, jetzt dürfen sich die Studierenden der Rechtswissenschaft darüber streiten, wenn sei mögen.

  1. Wobei man sich da nicht so ganz sicher sein kann…

Ältestenrat rudert zurück: Satzungsänderung nun doch nur mit 2/3-Mehrheit

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Im Juli hieß es noch: Satzungsänderung mit einfacher Mehrheit!

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Wie ich eben erfahren habe, hat der Ältestenrat in seiner Sitzung am 25. September 2014 seinen “Beschluss 09/2014”, wobei es sich um den oben erwähnten handeln dürfte, wieder aufgehoben. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Satzungsänderungen mit 2/3-Mehrheit der SP-Mitglieder beschlossen werden müssen.

Als Hauptgrund wird angeführt, dass die Rechtsvorschriften für Satzungsänderungen aus höherrangigen Rechtsquellen nun leider gar nicht eindeutig seien und der Ältestenrat sich bei seiner Tätigkeit primär an die Satzung der Studierendenschaft zu halten habe, die in diesem Punkt hingegen eindeutig sei.

Heißt: Alles wieder wie früher. Falls jemand nun die Satzung mit einfacher Mehrheit ändern will, müsste das vermutlich erst einmal auf dem Klageweg erstritten werden.

Die vollständige Entscheidung des Ältestenrats inklusive Begründung lässt sich sicherlich vom Vorsitzenden des Ältestenrats anfordern bzw. bei diesem einsehen.

  1. Mir ist bewusst, dass es sich bei “rudert zurück” um eine der abgedroschensten “Nachrichten”-Floskeln überhaupt handelt. Sie steht absichtlich dort. Keinesfalls möchte ich ein Mitglied des Ältestenrats mit dem Rudersport in Verbindung bringen. Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass das Studierendenparlament bereits mehrfach den Rudersport der Uni Bonn finanziell unterstützt hat.

Ältestenrat: Satzungsänderung mit einfacher Mehrheit der SP-Mitglieder

Auf seiner Sitzung am 31. Juli 2014 hat der Ältestenrat der verfassten Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf Antrag des SP-Präsidiums mit 4 Ja-Stimmen und 0 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen festgestellt, dass zur Änderung der Satzung der verfassten Studierendenschaft lediglich die Mehrheit der Mitglieder des Studierendenparlaments nötig ist.

Dies ergebe sich aus § 53 Abs. 4 des Hochschulgesetzes. Laut § 52 Abs. 2 der Satzung der Studierendenschaft wäre abweichend davon eine 2/3-Mehrheit der Mitglieder für eine Satzungsänderung notwendig.

Der Entscheidung waren eine sehr lebhafte Diskussion unter den Sitzungsteilnehmern und eine 42-minütige Beratungsphase des Ältestenrats vorausgegangen. Auch lagen Stellungnahmen aus dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie dem Justiziariat der Universität vor, die diese Entscheidung stützten. In der mündlichen Entscheidungsbegründung wurde unter anderem erläutert, in der aktuellen Fassung des Hochschulgesetzes werde nicht mehr zwischen dem Beschluss und der Änderung einer Satzung unterschieden, weshalb die Regelung zum Beschluss einer Satzung aus dem Hochschulgesetz auch auf Satzungsänderungen anzuwenden sei. Diese könne auch in der Satzung nicht mehr “überschrieben” werden.

Die vollständige Begründung wird den Verfahrensbeteiligten in den nächsten Tagen/Wochen zugehen.