Wie rechnet der Wahl-O-Mat?

Vor den letzten Wahlen war der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) immer ein nettes Spielzeug. Was mich aber schon immer gestört hat: Nirgends lässt sich die Information finden, nach welchem System der Wahl-O-Mat die Ähnlichkeitsberechnung vornimmt. Nur bei den angezeigten Balkendiagrammen findet sich in Form eines Tooltips ein Hinweis darauf, dass das alles irgendwie auf einem Punktesystem basiert.

Durch hartnäckiges Reverse-Engineering kann ich nun hier the one and only Punktesystem des Wahl-O-Mat der bpb präsentieren:

Die Antworten der Testperson (das bist du) werden mit den vorgegebenen Antworten der Parteien abgeglichen.

  • Stimmt die Antwort überein, werden der Partei 2 Punkte gutgeschrieben;
  • Weicht die Antwort leicht ab (Zustimmung/Neutral oder Neutral/Ablehnung), wird der Partei 1 Punkt gutgeschrieben;
  • Sind die Antworten entgegengesetzt, gibt es keine Punkte für die Partei;
  • (Vermutung, da Situation sehr unwahrscheinlich:) Hat eine Partei eine Frage nicht beantwortet, gibt es ebenfalls keinen Punkt.

Eine Frage, die die Testperson übersprungen hat, wird nicht gewertet. Entsprechend gibt es dann insgesamt weniger Punkte zu erreichen.

Eine Frage, die doppelt gewichtet werden soll, wird doppelt gewichtet, das heißt, für sie wird die doppelte Punktzahl gutgeschrieben (0/2/4). Entsprechend gibt es insgesamt mehr Punkte zu erreichen.

Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt, und darf in der Übersicht ganz links stehen.

So einfach ist das. Hätte man auch selber draufkommen können.

Warum Claudia Lücking-Michel von der CDU im September meine Stimme mit großer Wahrscheinlichkeit vermutlich nicht bekommen wird

(Nachdem die Frau Ellebil mit ihren “Warum…”-Erklärbär-Artikeln so erfolgreich ist, kopieren wir das hier einfach mal dreist.)

Ich kommuniziere meine Wahlentscheidungen grundsätzlich nicht – egal, ob es um die Volksabstimmung zum Nichtraucherschutz in Bayern, die Landtagswahl in NRW oder die SP-Wahl an der Uni Bonn geht. Weil ich es kann. Schon super, diese Grundrechte.

Allerdings möchte ich doch darlegen, warum Frau Claudia Lücking-Michel von der CDU im September bei der Bundestagswahl meine Stimme mit großer Wahrscheinlichkeit vermutlich nicht bekommen wird. Dies hat nämlich primär gar nichts mit Politik zu tun. Sondern mit, sagen wir, “menschlichem Spezialexpertentum”.

Im Sommersemester, wenn das Wetter angenehm ist, kommt man von Auerberg nach Poppelsdorf am schnellsten mit dem Rad. An bis zu drei Tagen der Woche war dies in diesem Semester mein Weg zur Uni. Dabei kommt man auch am Chlodwigplatz vorbei, einem lauschigen Plätzchen mit Brunnen abseits der großen Kreuzung auf dem Kaiser-Karl-Ring, dort wo die Linie 61 auf die Kölnstraße einbiegt. Der gemeine Radfahrer auf dem Weg zur Uni hingegen wechselt umgekehrt von der Kölnstraße auf den Kaiser-Karl-Ring. Und hier kommt Frau Lücking-Michel ins Spiel.

Seit etwa zwei Wochen tauchen in Bonn überall Malungen ihres bezaubernden Antlitzes auf großen Plakaten auf, die von jungen dynamischen Burschen jenseits der 60 an allem befestigt werden, was bei Drei noch wie ein Metallpfosten aussieht. Und raten Sie mal, welchen Pfosten die Wahlkampf-Boyz sich ebenfalls ausgeguckt haben! Ja!

Claudia Lücking-Michel steht, nein, hängt im Weg

Claudia Lücking-Michel steht, nein, hängt im orange eingezeichneten Fahrweg.

Nun werden einige von Ihnen sagen: “Was jammert der denn so. Stört doch nicht.” Denen aber sage ich: Na doch. Das Plakat hängt da schon sehr fett in den Radweg hinein.

Kein Vorbeikommen an Claudia Lücking-Michel

Kein Vorbeikommen an Claudia Lücking-Michel

Selbst eine Drehung des Plakats um 90° würde nicht viel bringen, da dann der von Norden kommende Radverkehr noch stärker beeinträchtigt würde. Die einzig mögliche Lösung: Abwähl… äh Abhängen. Gibt ja noch genug andere Pföstchen, von denen herab ihr bezauberndes Antlitz einen anstarrt.

So viel also zur morgendlichen Blutdrucksteigerung der letzten beiden Wochen.

Heute waren die Wahlkampf-Boyz dann noch zusätzlich vor meinem Fenster unterwegs (deshalb kenne ich auch ihre Altersstruktur). Zunächst hatte es den Anschein, als wollten sie folgende Installation vornehmen:

Wonach es aussah (Fotomontage)

Wonach es aussah (Fotomontage)

Das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen. Vielleicht spürten sie die negativen Schwingungen. Jedenfalls hängt Frau Lücking-Michel jetzt um 90° gedreht und zum Glück für uns beide außerhalb meiner Reichweite. Bin ich froh, wenn dieser Wahlkampf vorbei ist und die Politikergesichter wieder aus dem Stadtbild verschwinden.

Wobei – das Plakat der GHG vor der LVR-Klinik, das eigentlich im Februar wieder entfernt werden sollte, gammelt da immer noch herum.

Ich bin zu klein. Zum Glück.

Ich bin zu klein. Zum Glück.

Update (23.07.):

Wahlen mit der Unicard

[Ich bin ein Grundsatzartikel und keineswegs die Meinung des Unicardausschusses oder aller seiner Mitglieder]

DAS Top-Ereignis in der Bonner Hochschulpolitik sind wohl jedes Jahr die Wahlen zum Studierendenparlament und zu den Gremien der Universität. Ansonsten können die Studierenden noch ihre Fachschaft wählen, aber für die meisten war’s das dann wieder für ein Jahr mit der Mitbestimmung.1

Im Folgenden werde ich mich vorrangig auf die SP-Wahl und die damit zusammen durchgeführten Gremienwahlen konzentrieren und die Fachschaftswahlen  erwähnen wo es angebracht erscheint. Nicht behandelt werden Personen, die keine Unicard nutzen wollen. Dies ist nochmal ein anderer großer Themenkomplex.

Der aktuelle Studierendenausweis erfüllt bei den Wahlen zwei Funktionen:

  1. Wahlberechtigung: Wer darf was wählen?
  2. Wahlnachweis: Wer hat schon gewählt?

Wie können diese Funktionen bei Einführung der Unicard umgesetzt werden?

Wahlberechtigung

Die Wahlberechtigung für den Fakultätsrat bzw. das BZL ergibt sich aus der aufgedruckten Zahl im Feld “Gremienwahlen” auf der Rückseite des Ausweises. Die Wahlberechtigung für die Fachschaft gilt für das Studienfach, das mit einem Sternchen markiert ist.

An jeder Urne gibt es außerdem eine “Negativliste”, in der unter anderem solche Personen stehen, die trotz Studierendenausweis keine Wahlberechtigung haben.

Druckt man die Informationen des aktuellen Ausweises auch auf die Unicard, bleibt beim Nachweis der Wahlberechtigung alles beim Alten.

So einfach wäre das. Kommen wir nun zum

Wahlnachweis

Bei den Wahlen zu SP, Gremien und Fachschaft besteht der Witz darin, dass jede wahlberechtigte Person nur 1 Stimme abgeben darf.

Derzeit wird das dadurch sichergestellt, dass bei der Stimmabgabe ein Loch in das dafür vorgesehene Feld des Studierendenausweises gestanzt, oder für Fachschaftswahlen im Wintersemester das Feld anderweitig ungültig gemacht wird.

Eine Unicard, die über mehrere Semester hinweg nicht ausgetauscht wird, ist nun nicht dazu geeignet, Löcher hineinzustanzen. Bei Chipkarten kann dies nebenbei bemerkt auch die Funktionalität einschränken. Wie kann also anders sichergestellt werden, dass jede Person nur maximal 1 Stimme pro Wahl abgibt? 2 Möglicherweise bietet es sich auch an, den Wahlnachweis physisch von der Unicard zu trennen.

1. Wahlbenachrichtigung

Das Konzept

Jede/r Wahlberechtigte bekommt vor der Wahl eine persönliche Wahlbenachrichtigung, die bei der Stimmabgabe vorgezeigt werden muss und dann ungültig gemacht wird.

Vorteile:

Das System bleibt gleich: An der Urne wird ausgestanzt.

Dezentrale Datenhaltung: Es ist schwer, viele Personen mehrmals wählen zu lassen (mehr dazu später bei zentraler Datenhaltung).

Nachteile:

Anders als der Studierendenausweis, den man quasi täglich benötigt, geht eine solche Wahlberechtigung vermutlich leichter verloren und der Verlust bleibt länger unbemerkt.

“Irgend jemand” muss die Kosten für die Erstellung und den Versand von >30.000 Wahlbenachrichtigungen tragen – Geld, das durch den Umstieg auf Chipkarten und den damit verbundenen Wegfall von Druck und Versand neuer Studierendenausweise eigentlich eingespart werden könnte. Selbst bei Fachschaftswahlen mit weitaus weniger Wahlberechtigten entstünden Kosten von geschätzt 60 ct pro wahlberechtigter Person, nicht pro Wähler/in.

Zu guter Letzt wäre eine Wahlbenachrichtigung vermutlich weniger fälschungssicher als der Studierendenausweis.

2. “Flags” auf der Karte

Oder nennt es “Token” wenn ihr wollt.3

Das Konzept

Auf der Unicard wird digital die Information gespeichert, ob die entsprechende Person für das entsprechende Gremium bereits gewählt hat oder nicht.

Vorteile:

Dezentrale Datenhaltung: Es ist schwer, viele Personen mehrfach wählen zu lassen.

Nachteile:

Man sieht einer Karte nicht an, ob schon gewählt wurde oder nicht. Es ist also an jeder Urne zusätzliche Hardware in Form von Laptop und Kartenschreib/lesegerät nötig.

Mehrfaches Wählen bleibt verboten, wird aber einfacher als zuvor. Indem die Karte auf den Zustand vor der Wahl zurückgesetzt wird, sieht es für die Wahlhelfer so aus, als habe die betreffende Person noch nicht gewählt. Eine solche Manipulation fällt nur beim extrem aufwendigen Kreuzvergleich aller Urnenbücher auf.

Das zurücksetzen der Flags passiert dabei folgendermaßen (sehr stark vereinfacht, aber mit hübschen Bildchen): 0 stehe dabei für “hat noch nicht gewählt”, 1 für “hat bereits gewählt”.

Wahlen-flags vorher-nachher

Daten auf der Karte sind nicht verschlüsselt: Durch vorher-nachher-Vergleich werden die entsprechenden Bits auf der Karte identifiziert und dann immer wieder in den Zustand “hat noch nicht gewählt” gesetzt.

Wahl verschlüsselte Karten

Daten auf der Karte sind verschlüsselt: Wahrscheinlich können die für den Wahlnachweis verantwortlichen Bits nicht mehr identifiziert werden. Vor dem Wahlgang wird einfach eine Kopie der gesamten Karte angelegt und nach dem Wahlgang wieder zurückgespielt. Sofern zwischendurch nichts mit der Karte bezahlt wurde lässt sich die Manipulation nicht feststellen, da die Daten auf der Karte konsistent und korrekt verschlüsselt sind.

Jetzt mag der Einwand kommen “das geht sicher nicht so einfach”: Da die Flags bei diesem Verfahren sowieso mindestens jedes Jahr zurückgesetzt werden müssen, ist dies technisch grundsätzlich möglich. Die Frage ist nur, wie viel Aufwand betrieben werden muss.

Auf zum nächsten Verfahren:

3. Wahlberechtigtenverzeichnis mit Abhaken

Das Konzept

An der Urne liegt ein ausgedrucktes Verzeichnis der Wahlberechtigten. Wer wählt, wird abgehakt. Wer abgehakt ist, darf nicht mehr wählen.

Vorteile:

Sofern der Kuli nicht versagt oder das Wahllokal sich spontan selbst entzündet, ist die Ausfallwahrscheinlichkeit sehr gering.

Nachteile:

Unzureichende Synchronisation: Sobald mehr als 2 Urnen im Einsatz sind, weiß die eine Urne nicht, wer gerade an der anderen Urne gewählt hat.

Zentrale Datenhaltung: Falls das Verzeichnis im Lauf der Wahl verloren geht, kann man die gesamte Wahl in die Tonne kloppen, da nicht mehr nachvollziehbar ist, wer bereits gewählt hat.

Schlechte Skalierbarkeit: Bei Fachschaftswahlen mit 1 Urne und < 2000 Wahlberechtigten ist das Verfahren mit < 30 Seiten vermutlich noch gut handhabbar. Für SP- und Gremienwahlen mit 30.000 Wahlberechtigten hat so ein Verzeichnis über 400 Seiten, der Wahlakt wird durch seine schiere Größe immens verzögert.4

4. Online-Wahlberechtigten-Verzeichnis

Das Konzept

Beginnen wir mit einem Schaubild:

wahl_db

Schema: Wahlnachweis mit Datenbanksystem (Das muss nicht beim HRZ stehen, es dient hier als Beispiel)

Das Datenbanksystem beim HRZ speichert zu jeder/jedem Wahlberechtigten zu jedem Gremium die Information, ob die Person schon gewählt hat oder nicht.

Das Wahllokal meldet sich am Datenbanksystem an und überprüft mit seiner Hilfe, ob die Person die gerade wählen will dies schon getan hat oder sonstwie auf einer Negativliste steht. Ist die Person wahlberechtigt, bekommt sie die Wahlunterlagen.

Bei Einwurf der Stimmzettel in die Urne wird dem Datenbanksystem vom Wahllokal mitgeteilt, für welches Gremium die Person gewählt hat.

Im Wahlbüro, in dem die Wahlleitung sitzt, werden alle Änderungen an der Datenbank einerseits sofort auf einem Papertrail aufgezeichnet und optional auch auf einer Live-Anzeige ausgegeben. Dies dient dazu, Manipulationen am Datenbanksystem teilweise erkennen zu können.

Vorteile:

Unabhängig von der Umsetzung des Studierendenausweises.

Nachteile:

Es werden Laptops für die Wahllokale und das Wahlbüro sowie ein spezieller Drucker zur Erzeugung des Papertrail benötigt.

Das System ist abhängig von der Stromzufuhr und der Verfügbarkeit einer Internetanbindung. Die Wahllokale können nicht mehr frei platziert werden.

Zentrale Datenhaltung: Wenn jemand5 die Möglichkeit zur Manipulation des Datenbankservers erlangt, hat der Wahlausschuss verloren. Wenn der Server den Geist aufgibt, was nach Murphy’s Law immer in der Wahlwoche passiert, ist nur noch über den Papertrail nachvollziehbar, wer bereits gewählt hat. Die Wahl muss dann unterbrochen werden. Auch wenn im Wahllokal oder Wahlbüro die Verbindung zum Server abbricht, muss der Wahlvorgang gestoppt werden.6

5. Wahl über eine Umfrage in eCampus oder BASIS

*facepalm*

Fazit

Es gibt Möglichkeiten, mit oder ohne Einbindung der Unicard die Wahlen zu SP, Gremien und die Fachschaftswahlen ordnungsgemäß durchzuführen. Die Liste ist naürlich keinesfalls vollständig. Eine Kombination der Verfahren 2. und 4. scheint mir momentan am sichersten wenn es funktioniert, allerdings auch am störanfälligsten. Der Unicardausschuss wird sich mit der Fragestellung sicherlich auch bald beschäftigen.

  1. Was nicht heißt, dass es nicht weitere Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Hochschulpolitik hier gibt.
  2. Gehen wir mal realistischerweise davon aus, dass die Unicard eine Chipkarte wird
  3. Siehe akut 329 Seite 8ff.
  4. Schätzung mit 70 Einträgen pro Seite in Schriftgröße 9
  5. Tante Erna, böse Informatiker, die Kinesen,…
  6. Die Frage bei so etwas ist nicht, ob, sondern wann es passiert, und wie man es kompensieren kann.