PANIK!! Auf meinem Studiausweis ist keine Zahl im Feld “Gremienwahlen”!!!

Nur die Ruhe. Alles wird gut. Du darfst trotzdem wählen gehen.
Aber beginnen wir von Anfang an.

Wie allgemein bekannt ist, bin ich in diesem Winter Mitglied im Wahlausschuss des Studierendenparlaments und außerdem Mitglied im Wahlvorstand für die Gremienwahlen.

Nun ergab es sich, dass wir im Wahlausschuss einem Erstsemestrigen den Wahlvorgang erklären wollten. Kollege Rump zückte seinen Studiausweis mit den Worten “und hier auf der Rückseite hast du eine Zahl stehen, die… oh.”

Ein Fehler in der Verwaltung

Wenn die Studierenden unter euch mal ihren Studiausweis der Uni Bonn herausholen und umdrehen, dann sehen sie dort 5 Dinge:

  • Eine Liste ihrer Studiengänge samt Fachsemesterzahl,
  • hinter einem dieser Studiengänge ein Sternchen (*); das ist das Fach, in dem sie für die Fachschaftswahlen wahlberechtigt sind,
  • einen Strichcode ihrer Matrikelnummer und ebendiese darunter,
  • ein leeres Feld für die SP-/Fachschaftswahl und
  • ein Feld für die Gremienwahlen, in dem eine Zahl zwischen 0 und 9 steht1.

So sieht das aus, wenn alles in Ordnung ist:

Mein Studentenausweis aus dem 4. Semester, vor der großen Lochung

Mein Studentenausweis aus dem 4. Semester, vor der großen Lochung

Kollege Rump bemerkte nun, dass auf seinem Ausweis keine Zahl im Gremienwahlfeld stand. Und auf meinem Ausweis steht die auch nicht. Und auf Kollege Ostmeyers auch nicht. Der Rest der Anwesenden hingegen hatte seine Zahl dort wo sie sein sollte. Es gab also schonmal solche und solche.

Mein Studentenausweis aus dem 5 Semester. Leicht lädiert, noch ungelocht, aber zu wenig Zahlen.

Mein Studentenausweis aus dem 5 Semester. Leicht lädiert, noch ungelocht, aber da fehlt eine Zahl.

Eine weitergehende Recherche bestärkte meine Vermutung, dass vermutlich die gesamte Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät keine Zahl im Gremienfeld hatte, wenn man mal den Informatik-Diplomstudiengang außen vor lässt. Doch dann tauchten auch noch aus der Rechtswissenschaft und der Philosophischen Fakultät Ausweise auf, deren Gremienwahlfelder ebenso leer waren wie meins. Nun war klar: Niemand war mehr sicher.

Der Wahlvorstand für die Gremienwahlen forschte bei der Univerwaltung nach, und es bestätigte sich: Eine Eingrenzung des Fehlers ist nicht möglich, jeder Ausweis kann betroffen sein. Woran es lag, dass so viele Ausweise keine Zahl aufgedruckt bekamen, ist wohl noch unklar.

Wofür brauch ich die Zahl überhaupt?

Im Januar sind wieder einmal Wahlen, genauer gesagt vom 20. bis zum 23. Januar. (Das steht hier nebenbei bemerkt momentan auch ganz fett im Header.) Wenn ihr wählen wollt, geht ihr in eins der Wahllokale und bekommt dann bis zu 4 Stimmzettel:

Zum einen wird ein neues Studierendenparlament (SP) gewählt. Diese Wahl organisiert der Wahlausschuss des SP. Wenn ihr euren SP-Stimmzettel in die SP-Urne geworfen habt, bekommt ihr ein hübsches Loch ins Feld “SP-/Fachschaftswahl” in euren Studiausweis gestanzt.

Zum anderen werden auch die Mitglieder in diversen Gremien der Uni neu gewählt. Diese Wahlen leitet der Wahlvorstand für die Gremienwahlen. Ihr bekommt einen Stimmzettel für den Senat, einen für den Beirat der Gleichstellungsbeauftragten, falls ihr ein Weibchen seid2,  sowie einen Stimmzettel für euren Fakultätsrat oder den Vorstand des Bonner Zentrums für Lehrerbildung. Und da liegt der Hund begraben.

Wenn nun in dem Feld auf dem Ausweis keine Zahl steht, wissen die Wahlhelfer an der Urne nicht, welchen Fakultätsratsstimmzettel sie euch geben dürfen. Und das ist generell ungünstig.

Partnersuche

Die Lösung wird relativ pragmatisch und simpel sein: Man geht nach dem Fach mit dem Sternchen.

Die Wahlhelfer an der Urne bekommen eine Liste, auf der jedem Studiengang eine Fakultätskennziffer zugeordnet ist. Wenn zum Beispiel ich dann an die Urne trete und für den Fakultätsrat wählen will, suchen die Wahlhelfer das Fach auf meinem Ausweis, hinter dem ein Sternchen steht (Informatik). Dann suchen sie in ihrer Liste diesen Studiengang und erfahren, dass auf meinem Ausweis eigentlich eine 6 stehen müsste. Und dann geben sie mir den Stimmzettel für den Fakultätsrat der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Ich mach meine Kreuzchen, werf die Stimmzettel in die Urne für die Gremienwahlen und bekomme auch ins Feld “Gremienwahlen” ein dekoratives Loch gestanzt.

Grenzfälle

Einige werden jetzt aufschreien, denn da wäre noch ein Haken: Es gibt Personen, die haben ihr Sternchen hinter einem Fach, das aber gar nicht zu der Fakultät gehört, in der sie wahlberechtigt sind. Diese ausgefuchsten Spezialisten bekommen einen Eintrag in der Negativliste3 und dürfen dann auch für genau die Fakultät wählen, für die sie eigentlich wahlberechtigt sind.

Die Wahlhelfer haben dieses Mal also etwas mehr Aufwand als sonst, aber dank der Fächerlisten sollten die fehlenden Zahlen sonst keine größeren Probleme verursachen.

Warum hat das vorher niemand bemerkt?!

Tja. ‘S isch halt so. Ich kenne mich ja aus und habe auch erst vor kurzem gemerkt, dass die Zahl fehlt. Passiert. Nach so etwas guckt aber auch wirklich niemand.

Was für Wahlen sind das?

Wahlen zum Studierendenparlament und zu den Gremien der Universität

20. – 23. Januar 2014

falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte 😉

  1. Die Zahl bezeichnet dabei die Fakultät (oder Pseudofakultät), für die die Wahlberechtigung zum Fakultätsrat besteht:
    0 = keine Wahlberechtigung für Fakultätsräte;
    1 = Katholisch-Theologische Fakultät;
    2 = Evangelisch-Theologische Fakultät;
    3 = Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Wahlkreis Rechtswissenschaften;
    4 = Medizinische Fakultät,
    5 = Philosophische Fakultät,
    6 = Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät;
    7 = Landwirtschaftliche Fakultät;
    8 = Bonner Zentrum für Lehrerbildung (hat keinen Fakultätsrat, aber einen Vorstand);
    9 = Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Wahlkreis Wirtschaftswissenschaften
  2. heißt, falls ihr keinen Studentenausweis, sondern einen Studentinnenausweis besitzt
  3. In der Negativliste stehen alle, bei denen Besonderheiten zu beachten sind: Zweit-, oder Drittschrift als Ausweis, keine Wahlberechtigung für Senat, …

Der kleine Unterschied

Die nächste Woche wird spannend in der Bonner Hochschulpolitik. Vergangenen Dienstag hat das Rektorat der RFWU Bonn (hoffentlich) die neue Satzung der Studierendenschaft genehmigt. Und je nachdem, wann diese jetzt veröffentlicht wird, ändert sich die Zusammensetzung des am kommenden Mittwoch zu wählenden Wahlausschusses.

Zum Hintergrund: Ausschüsse des SP werden so besetzt, dass die Mehrheitsverhältnisse im SP sich in ihnen widerspiegeln sollen. Jede Fraktion darf deshalb eine gewisse Zahl an Bewerbern vorschlagen, abhängig von der Sitzzahl die sie innehat: Je mehr Sitze, desto mehr Vorschläge.

In der neuen Satzung wird nun gleichzeitig mit dem Verfahren zur Berechnung der Sitzverteilung das Verfahren zur Berechnung der Ausschussbesetzung geändert: Statt d’Hondt wird Sainte-Laguë/Schepers angewendet. Der Wahlausschuss hat 9+11 Mitglieder, im SP sind 6 Hochschulgruppen vertreten2.

Vorschläge mit d’Hondt:

  • GHG: 4
  • RCDS: 3
  • Jusos: 2
  • LUST: 0
  • LHG: 0
  • Piraten: 0

Vorschläge mit Sainte-Laguë/Schepers:

  • GHG: 3 (-1)
  • RCDS: 2 (-1)
  • Jusos: 2
  • LUST: 1 (+1)
  • LHG: 1 (+1)
  • Piraten: 0

LUST und LHG sollten sich also gegebenenfalls überlegen, wen sie am Mittwoch für den Wahlausschuss vorschlagen wollen. Falls die neue Satzung vor der Wahl des Wahlausschusses veröffentlicht wird, dürften sie Kandidatinnen oder Kandidaten benennen.

Berechnungshintergrund

Sowohl das d’Hondt-Verfahren als auch das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers können als Divisor- oder als Höchstzahlverfahren implementiert werden. Als Divisorverfahren kann man das beispielsweise hier und hier ausprobieren, als Höchstzahlverfahren werden wir es jetzt hier tun.

Grundlage für die Berechnung der Anzahl der Vorschläge für jede Liste ist § 12 (6) der Satzung der Studierendenschaft. Aktuell lautet er wie folgt:

(6) Bei Besetzung der Ausschüsse ist nach dem Höchstzahlverfahren d’Hondt das Stärkeverhältnis aufgrund der Sitze im SP zugrunde zu legen.

In der Neufassung ist lediglich das “Höchstzahlverfahren d’Hondt” durch das “Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren” ersetzt. Der Unterschied zwischen den beiden Verfahren besteht nun darin, wie gerundet wird (Divisorverfahren) bzw. durch welche Zahlen geteilt wird (d’Hondt).

Bei d’Hondt werden die Sitzzahlen der Listen jeweils durch 1,2,3,… geteilt und dann die 9 größten Zahlen daraus ermittelt. Jede Liste darf dann so viele Personen vorschlagen, wie sie Zahlen unter den Top 9 hat.

Nach d'Hondt bekommt die GHG 4 Vorschläge, der RCDS 3 und die Jusos dürfen 2 Personen vorschlagen.

Nach d’Hondt bekommt die GHG 4 Vorschläge, der RCDS 3 und die Jusos dürfen 2 Personen vorschlagen. (Zahlen auf 2 Nachkommastellen gerundet)

Beim Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers ändert sich ein winziges Detail: Es wird nicht mehr durch 1-2-3-…, sondern durch 0,5-1,5-2,5-… geteilt – die Teiler sind also immer um 0,5 kleiner. Welchen Effekt das hat, sehen wir hier:

GHG und RCDS müssen je einen Vorschlag an LUST und LHG abgeben.

GHG und RCDS müssen je einen Vorschlag an LUST und LHG abgeben. (Zahlen auf 2 Nachkommastellen gerundet)

Die “kleinen” Listen bekommen einen Bonus und dürfen plötzlich mehr mitreden.

Mal sehen, was draus wird.

  1. die Fachschaftenkonferenz darf auch noch einen Vorschlag machen
  2. Eigentlich haben die “Fraktionen” Vorschlagsrecht, die Piraten-HSG ist jedoch fraktionslos. Unterschied macht das aber im Ergebnis keinen, wie wir sehen werden.

Vom Nichtwählen

Nehmen wir einmal an, unser Studierendenparlament schafft das Semesterticket ab. Wegen zu teuer. Oder weil die Liste Die LISTE eine 50%+X-Mehrheit bekommen hat und mehr Fußvolk produzieren will, was weiß denn ich. Sagen wir einfach, sie tun es. Und reden dann nicht mehr drüber.

Wann würde das den Leuten auffallen?

Eine Handvoll Studierender merkt es sofort, denn sie sind auf der Sitzung live dabei. Ich zum Beispiel oder etwa die Hälfte der Parlamentarier. Aber ich will ja gucken was passiert, also erzähle ich es nicht weiter.

Einige erfahren es dann aus der BAStA. Die bringt sicher einen kleinen Info-Artikel zum Thema, in dem steht, dass es ab nächstem Semester kein Semesterticket mehr gibt. Von diesen Leuten wandert die Nachricht dann per Mund-zu-Ohr-Propaganda in den diversen Kreisen weiter und wird meist mit einem verblüfft-entsetzten Schulterzucken quittiert.

Die neuen Erstsemester blicken erstaunt, wenn sie bei der ÖPNV-Recherche erfahren, dass es in Bonn kein Semesterticket (mehr) gibt und sie reguläre Tickets lösen müssten, viele orientieren sich spontan zur renommierten Uni Köln um. Das Fachschaftenreferat schreibt eine Rundmail an alle Fachschaften, die allerdings nur von der Hälfte der Empfänger zur Kenntnis genommen und an die Erstsemester weitergegeben wird. Ein paar Fachschaften wollen vielleicht protestieren, aber dann wollen die Erstis versorgt werden und dann ist eh schon wieder fast Weihnachten und da hat man dann Wichtigeres zu tun.

Und vom Rest merken es einige erst, wenn sie im nächsten Semester in der S-/U-/Tram-Bahn kontrolliert werden und vom SWB-Personal darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie gar kein Ticket haben. Hätte man aber auch merken können, dass da kein Glitzerhologramm mehr drauf ist, Mensch. Dass der winzige Aufdruck “Fahrausweis im VRS” fehlt, hätte ich wahrscheinlich auch erst spät bemerkt.

Irgendwann wissen also fast alle, dass es kein Ticket mehr gibt. Und dann?

Der AStA wird vielleicht mehrere wütende E-Mails mit fehlender Rechtschreibung und übermäßiger Interpunktion!!!!11 erhalten, ist dafür aber eigentlich gar nicht zuständig. Die BAStA bekommt mal wieder zwei Leserbriefe, die dann auf der 7. Seite abgedruckt werden und niemanden interessieren. Und 85,7 % der Studierendenschaft werden kurz empört aufschreien und in den darauf folgenden Jahren nicht müde werden zu erwähnen, dass “die AStA damals das Semesterticket abgeschafft hat” und das alles ganz große Spacken seien.

Diese 85,7 % sind die Nichtwähler.

Ich bin überzeugt, dass eine große Korrelation bestehen würde zwischen denen, die bei der SP-Wahl keine Gummibärchen abgegriffen haben, und denen, die am lautesten schreien und dann aber doch nichts tun würden.

Auf eine SP-Sitzung laufen und die Deppen mal richtig zur Sau machen? Nee, das ist ja Aufwand. Da muss man ja was tun. Iiih.

Bei der nächsten Wahl jemanden wählen, der das Ticket wieder einführen will? Da müsste man sich ja in-for-mie-ren! Bäh!

Selber eine solche Liste gründen und mit wehenden Fahnen ins SP einzieh… okay, utopisch.

Ich bin die Bonner Hochschulpolitiklandschaft jetzt seit zwei Jahren am quälen1. Und wenn ich eines festgestellt habe, dann das: Eine interessierte Öffentlichkeit ist extrem wichtig. Wenn man mal ein bisschen wo herumstochert, kriegen auf einmal alle etablierten Akteure Panik. Und das oft zu Recht – nicht selten hält man sich nur soweit an die Regeln, die man sich selbst gegeben hat, wie es gerade eben nicht stört2. Fies, wenn da mal jemand genauer hinguckt.3

Das heißt also:

  • Wenn ihr das SP toll findet: Geht wählen. Besucht mal eine SP-Sitzung4. Sagt ihnen, dass ihr toll findet, dass sie sich für euch aufopfern. Die freuen sich bestimmt.
  • Wenn ihr das SP hasst: Geht wählen. Besucht mal eine SP-Sitzung. Sagt ihnen, warum ihr sie scheiße findet. Stellt einen Antrag, der dem SP nicht gefällt, der aber so sinnvoll ist, dass man ihn nicht ohne Gesichtsverlust ablehnen kann. Nutzt die Möglichkeiten, die euch Satzung und Geschäftsordnung geben5.
  • Wenn euch das SP so egal ist wie ein Stück Brot: Geht wählen. Zeigt ihnen dadurch, dass ihr sie trotzdem nicht unbeobachtet machen lasst, was sie wollen. Viele Leute meinen: Durch eine niedrige Wahlbeteiligung zeigt man den Leuten, dass sie nicht legitimiert sind. Ich sage: Das ist Humbug. Das SP wird auch mit einer Wahlbeteiligung von 5 % weiterwurschteln wie bisher. Durch eine noch niedrigere Wahlbeteiligung sagt ihr lediglich: Macht was ihr wollt, es guckt eh keiner.

So, ich muss los, noch einen Antrag an den Ältestenrat schreiben. Als einfacher Student. Crazy, was. Aber möglich6.

  1. und den rheinischen Duktus seit ebenso langer Zeit am lernen. Aber net aktiv. Das nur so am Rande
  2. Das gilt aber keinesfalls nur für die verfasste Studierendenschaft, sondern auch zum Beispiel für die Universität selbst.
  3. Warum findet eigentlich der Großteil der Sitzungen von universitären Gremien komplett geheim statt? Wenn man dann stellenweise die Begründung “interessiert doch eh Keinen” hört, könnte ich wieder sooo einen Hals bekommen. Und kommt mir jetzt nicht mit “Datenschutz!!111elf” oder “Betriebsgeheimnis!!!111”. Dann kann man notfalls für einzelne Tagesordnungspunkte die Öffentlichkeit ausschließen.
  4. Die Termine stehen hier im Blog sogar meistens in der Seitenleiste.
  5. Dazu müsste man sie aber erstmal Lesen. Aufwand, ich weiß. Schlimm schlimm schlimm.
  6. Soooo viele Fußnoten!