Nachts in Bonn

Ich besitze eine Digitalkamera, mit der ich Bilder machen kann. Diese Kamera macht große Bilder, liefer allerdings bereits für meine unprofessionellen Augen keine allzu überragende Qualität. Außerdem befindet sich ein lediglich geliehenes Stativ in meinem Besitz. Beste Voraussetzungen also für eine nächtliche Fototour durch Bonn.

Zunächst Richtung Norden auf die Felder, dann die Kölnstraße entlang zum Chlodwigplatz und weiter auf dem Kaiser-Karl-Ring bis zur Poppelsdorfer Allee. Dort über das Universitätshauptgebäude an den Rhein und dann über das Römerbad wieder nach Hause. Da mein Handy all seine Standorte fleißig mitschneidet, gibt es davon auch eine (nicht immer akkurate, hihi) Karte.


Vollbildanzeige

Insgesamt war ich etwas über 4 Stunden unterwegs. Meist mit einem langen Stativ und daran festgeschraubter Kamera über der Schulter. Das brachte mir einige neugierige Blicke der gar nicht mal so wenigen Passanten ein. Am Nordpark fühlte sich ein junger Mann mit zwei Mädels in seinem VW Golf von meiner Kamera belästigt und fuhr extra ein Stück zurück, um zu fragen, ob ich denn filmen würde und falls er drauf sei könne ich das gleich einmal löschen wegen “Recht am eigenen Bild und so!”1. Als ob ich seine Hackfresse auf meinen wunderhübschen Bildern haben wollen würde, meine Güte!

Nach etwa der Hälfte des Weges fand ich dann in der Kamera auch das Menü, in dem sich die Belichtungszeit einstellen lässt. Ab diesem Zeitpunkt sind dann auch die vorzeigbaren Bilder entstanden, die Fotos davor sind natürlich größtenteils für die digitale Tonne.

Zwischendurch kämpft man als ambitionierter Hobbyfotograf auch mit den Tücken der Technik.

Das passiert nachts natürlich leicht, wenn man sowieso nicht damit rechnet, auf dem Display etwas zu erkennen. Nach 30 Sekunden Belichtung stellt man dann halt fest, dass das Bild immer noch komplett schwarz ist.

Gegen drei Uhr fing es dann an zu regnen. Ich teilte mir mit einer Gruppe Jugendlicher einen Pavillon am Rhein als Regenschutz und erfuhr unter anderem, dass Vanille der Trendgeschmack des Sommers für Zigaretten und ähnliches Gedöns ist.

Als letzten Punkt der Tour habe ich mir den Informatik-Campus an der Römerstraße und die Autobahnbrücke daneben ausgesucht. Die Kläranlage finde ich ja sehr beeindruckend. Um vier Uhr wurde es dann langsam wieder hell und ich nahm den Nachtbus nach Hause. Da ich ohne Gepäck unterwegs war, hatte ich inzwischen auch Durst.

Die ausgewählten Bilder gibt es natürlich auch zu sehen, und zwar hier in 16:9, hier in 4:3 und hier in voller Auflösung (ebenfalls 4:3).

  1. Wobei ich diese Straßenkreuzung zum Privatvergnügen sowieso erst einmal knipsen darf wie ich lustig bin…

Religionsunterricht

1

Ich komme ja ursprünglich aus einer der ländlicheren Regionen Bayerns. Eine Region, in der es zwar schon Internet gibt, sofern man nicht in der falschen Straße wohnt, in der man aber in der Grundschule noch mit mehr “Baurabuaba”2 als Arztkindern zu tun hat.

In dieser heilen Welt gehört der Religionsunterricht noch fest in den Stundenplan. Katholisch, natürlich – da man allerdings sehr tolerant ist, bekommen die Evangeliken einen eigenen Unterricht, und auch für die paar Ungläubigen, seien sie nun atheistisch oder muslimisch, gibt es speziellen Ethik-Unterricht.

Den Religionsunterricht wird man dann bis zum Ende der Schulzeit nicht mehr los. So kam es, dass ich von der ersten bis zur 13. Klasse jedes Jahr im katholischen Religionsunterricht saß. Zwar hätte ich sicherlich in den Ethik-Unterricht wechseln können, jedoch: Das war eine gesellschaftliche Randgruppe und die Unterrichtsinhalte unterschieden sich sowieso nur marginal, weshalb ich lieber bei Bewährtem blieb.

Den Religionsunterricht der fünften und sechsten Klasse verbrachte ich auf dem Gymnasium damit, Szenen aus Bibelgeschichten malerisch zu verewigen und meinem Religionslehrer zu erklären, weshalb Gott nicht existierte. Das lohnte sich, immerhin bekam ich dafür zwei Jahre lang die Note 1 – ob die Bilder hierbei auch einen Einfluss hatten, vermag nicht mehr geklärt zu werden.

So spaßig wurde der Religionsunterricht erst wieder in der Kollegstufe3. Ich besuchte ein relativ kleines Dorfgymnasium, und so kam es, dass wir der Frau, die uns in unseren letzten eineinhalb Jahren noch einmal auf halbwissenschaftlicher Grundlage in den Glauben einführen sollte, teilweise bereits zum dritten Mal gegenübersaßen.

Mein Sitznachbar Michael und ich waren in der Kollegstufe besonders zu Trollereien aufgelegt (ja, Michael wie der Erzengel). Wir beschlossen eines Tages, man solle den Religionsunterricht doch jedes Mal mit einem ausgewählten Bibelvers beginnen, da die Bibel schließlich die Grundlage unseres Glaubens darstelle. Dies teilten wir umgehend unserer Religionsfachlehrkraft mit. Die Auswahl der entsprechenden Bibelverse wollten wir gleich selbst vornehmen, und auch das Vortragen derselben würden wir engagiert übernehmen. Unsere Religionslehrerin war natürlich nicht überzeugt, wusste aber auch nicht wirklich, was sie dagegen einwenden sollte, schließlich hatte ich mich schon früher durch hochkarätige Fragen wie “Was macht eigentlich der Heilige Geist den ganzen Tag?” als Bibelforscher qualifiziert und dadurch offenbar auch den Neid der Tochter einer anderen Religionsfachlehrkraft auf mich gezogen, die den selben Kurs besuchte. Aber das sei nur am Rande bemerkt.

Es war Michael und mir also fortan gestattet, zu Beginn der Stunde unsere Lieblingsstellen aus der Bibel zu rezitieren. Diese stammten, welche Überraschung, in der Regel aus dem alten Testament oder ab und zu auch aus der Offenbarung (das ist der Teil mit der Apokalypse und so).

Wir lernten dabei viel. Dass man einen Tempel auch mit einem Messstab vermessen kann, der aussieht wie ein Stock; wie man schnell an die Frau für’s Leben kommt; und, mein absoluter Liebling: Wie man ein Heerlager rein hält. 5. Buch Mose, 23:

Die Reinheit des Heerlagers

10 Wenn du ins Feld ziehst und gegenüber deinen Feinden das Lager aufschlägst, sollst du dich vor jeder Unsauberkeit hüten.
11 Wenn jemand unter dir ist, der nicht mehr rein ist, weil nachts etwas geschah, soll er in das Vorgelände des Lagers gehen und das Lager nicht betreten.
12 Wenn der Abend kommt, soll er sich mit Wasser waschen, und wenn die Sonne untergeht, darf er in das Lager zurückkehren.
13 Du sollst im Vorgelände des Lagers eine Ecke haben, wo du austreten kannst.
14 In deinem Gepäck sollst du eine Schaufel haben, und wenn du dich draußen hinhocken willst, dann grab damit ein Loch und nachher deck deine Notdurft wieder zu!
15 Denn der Herr, dein Gott, hält sich in der Mitte deines Lagers auf, um dich der Gefahr zu entreißen und dir deine Feinde auszuliefern. Dein Lager soll heilig sein, damit er bei dir nichts Anstößiges sieht und sich nicht von dir abwendet.

Ich finde das großartig: In der Bibel steht detailliert, wie man im Krieg sein Geschäft zu verrichten hat. Ein Buch für alle Lebenslagen.

Die Religionsfachlehrkraft hat nur noch mit den Augen gerollt. Ich wollte zum Glück sowieso keine mündliche Prüfung bei ihr ablegen.

Kreuz

Ein Kreuz zur Illustration. In meinem Gymnasium hingen sie in jedem Klassenzimmer, allerdings in der Version schlichtes Holzkreuz ohne Jesus.

  1. Da Frau Ellebil & Co. eine Sauerland-Omnipräsenz aufbauen (vgl. z. B. hier), möchte ich mit etwas Katholizismus aus dem Bayernland daran erinnern, dass auch andere Landstriche Deutschlands katholisch geprägt sind.
  2. Söhne ortsansässiger Landwirte
  3. Falls sich jemand fragt, was das ist: So hießen bei uns die 12. und 13. Klasse, die dann auch für die Abiturnote relevant waren

Sitzfleischkonsens

Zutaten

Für einen Sitzfleischkonsens benötigen wir drei Zutaten:  Ein Gremium, das konsensorientiert entscheidet, ein kontrovers diskutiertes Thema1 und in der Regel eine fortgeschrittene Uhrzeit.

Ein Sitzfleischkonsens tritt dann ein, wenn eine der beiden Streitparteien “kein Sitzfleisch mehr hat” und das Plenum komplett verlassen hat, um zu schlafen oder sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen. Die andere Gruppe kann daraufhin ihre Position im Konsens beschließen.

Wo tritt der Sitzfleischkonsens auf?

Ein Sitzfleischkonsens kann grundsätzlich in allen Gremien entstehen, die konsensorientiert entscheiden und keine Zeitbeschränkung bezüglich der Sitzungsdauer haben.

Sehr beliebt ist der Sitzfleischkonsens auf dem Abschlussplenum der Konferenz der Informatikfachschaften (KIF). Hier kommt noch hinzu, dass der KIF-Konsens eine ganz eigene Art des Konsenses ist: Konsens besteht nicht, wenn alle dafür sind, sondern bereits, wenn niemand mehr ein Veto einlegt. Ganz genau kann man sich das von Lucy dem Konsensschaf erklären lassen.

Es reicht also, zu warten, bis alle, die zunächst ein Veto gegen den eigenen Vorschlag eingelegt haben, aufgeben. Wobei “warten” nicht der richtige Begriff ist, “durchhalten” wäre treffender. So ein Abschlussplenum beginnt Abends um 7 Uhr und kann sich leicht mal bis in die frühen Morgenstunden hinziehen.

Tritt das oft auf?

Auf der KIF sind Sitzfleischkonsense zwar legendär – die letzte Ausgabe kam aber (trotz Plenumsende um 3:47 Uhr) ohne sie aus. Schade eigentlich.

Supi, jetzt kann ich allein alles im Konsens beschließen! Kleiner Scherz, das Bild wurde kurz vor Beginn des Abschlussplenums aufgenommen.

Supi, jetzt kann ich alles allein im Konsens beschließen!
(Kleiner Scherz, das Bild wurde kurz vor Beginn des Abschlussplenums aufgenommen.)

  1. was nicht bedeutet, dass das Thema an sich kontrovers sein muss