Neutral wie die Schweiz

Nächsten Mittwoch steigt wieder einmal in Vorbereitung auf die große Wahl (welche Wahl?) in der Mensa Nassestraße die Elefantenrunde (Link zur Facebook-Veranstaltung).

Auf dieser Veranstaltung sitzt von jeder zur Wahl antretenden Liste eine Person auf dem Podium und “unterhält” sich mit den anderen Leuten rundherum. Moderiert wird das Ganze voraussichtlich von Hendrik Erz von bonnFM, dem besten studentischen Radiosender in Bonn überhaupt. Und natürlich darf auch das Publikum Fragen stellen.

Eigentlich wäre das eine gute Gelegenheit, die Spitzenkandidierenden mal so richtig zu grillen. Man könnte fragen, ob die Spitzenkandidierenden vorhaben, sich nach der Hälfte der Legislaturperiode ins Ausland abzusetzen1, wie viele (und welche) der Listenplätze sofort nach ihrer Wahl zurücktreten werden2, oder man fragt eine Liste gezielt, warum sie die Wählerschaft in Wahlzeitung oder Wahl-O-Man in einem konkreten Punkt dreist anlügt3. Oder warum alle Listen versuchen, ein falsches Bild von sich zu vermitteln und sich künstlich jünger zu machen. Jaja! Da soll niemand sagen, “seine” oder “ihre” Liste mache das nicht! Legt mal die letzte und die aktuelle Wahlzeitung nebeneinander und vergleicht *grins*

Jedenfalls. Ich könnte das tun, genug Ahnung von der ganzen Materie habe ich. Allerdings bin ich auch Mitglied im Wahlausschuss, und als solches habe ich meine Aufgaben “unparteiisch[] und gewissenhaft[]” zu erfüllen,  wie die Wahlordnung es so schön ausdrückt. Und das bedeutet insbesondere: Keine Wahlkampfhilfe und kein Coaching.

nein

Keine Wahlkampfhilfe

Eigentlich klar. Ich helfe niemandem beim Plakate kleben, ich verziere im Gegenzug auch niemandes Plakate, ich zerlege nicht die “Argumentation” einer Liste, wovon andere Listen im Wahlkampf profitieren könnten (wenn es denn bei euch Apathikern überhaupt einen Unterschied machen würde). Wir organisieren hier unsere Wahl und sonst nichts4 – wenn euch etwas nicht passt, was die anderen machen, wendet euch an den Ältestenrat.

Kein Coaching

oder aber “warum bist’n du soooo!”. Das Coaching-Konzept stammt aus der Sammelkartenspielszene und wird in diesem Artikel schön erklärt.

“Keine Wahlkampfhilfe” heißt: Ich tue nichts, was einer Liste hilft. “Kein Coaching” bedeutet, kurz zusammengefasst: Ich nehme einer Liste nicht das Denken ab – ich sage einer Liste nicht, was sie tun sollte.

Ein Beispiel: Hans von der Liste X fragt mich, wie seine Liste letztes Jahr exakt hieß, damit er sie dieses Jahr wieder genauso nennen und seinen formidablen 7. Platz auf dem Stimmzettel behalten kann. Das Problem: Wenn ich ihm diese Frage beantworte, sage ich ihm, was er tun soll.

Die Lösung für Hans wäre in diesem Fall, eine andere Frage zu stellen: “Wo finde ich die exakten Listennamen der zur letzten Wahl angetretenen Listen?” Dass diese in der letztjährigen Wahlzeitung und dem vorläufigen amtlichen Endergebnis stehen, ist eine allgemeine Information, die ich problemlos loswerden kann.5

Noch ein Beispiel: Hilde, ebenfalls von Liste X und eine alte Schulfreundin von mir, hat zum donnerstäglichen Kaffeekränzchen die Wahlbewerbung ihrer Liste mitgebracht und fragt, ob ich mal eben drübergucken könnte, ob grobe Fehler drin sind.6 “Coaching!” werden da die ersten schreien und ja, vollkommen richtig: Ich würde Hilde sagen, was sie tun soll, um das bestmögliche Ergebnis (keine Mängel) zu erzielen, und das geht natürlich nicht.

Hilde könnte schon fragen, ob man denn alle Vornamen auf die Bewerbung schreiben müsse, die auf dem Studentinnenausweis stehen (Ja.7) und ob man vielleicht noch auf den Stimmzettel schreiben lassen kann, dass ihr Hund “Egon” heißt (Nein???8). Der Standardweg wäre allerdings, einfach alles nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen, einzureichen und dann auf die meterlange Mängelliste nach der Prüfung durch den Wahlausschuss zu warten.9

Ein drittes Beispiel: Hans fragt mich, an welchem Urnenstandort man am besten Wahlwerbung machen kann. Abgesehen davon, dass rund um die Wahllokale eine Bannmeile mit 5 Metern Radius liegt, innerhalb derer Wahlwerbung weder hängen, noch liegen, noch getragen werden darf, würde ich ihm mit Beantwortung dieser Frage das Denken abnehmen. Ergo: Mööp.

Das Coaching-Prinzip ist vermutlich für Menschen mit mathematischer Grundausbildung verständlicher als für solche, die sich eher geisteswissenschaftlich-künstlerisch orientiert haben. Grundsätzlich sollte man aber mitnehmen: Ein “Nein, diese Frage kann ich dir nicht beantworten” ist nicht unbedingt ein “Nein, das sage ich dir nicht”, sondern vielleicht auch ein “Wenn du allgemeiner fragst und dann ein bisschen selbst denkst, wird’s vielleicht was”.

  1. kommt vor
  2. kommt vor
  3. kommt vor
  4. Ja, und die Elefantenrunde. Ist halt Teil der Wahl.
  5. Wobei es sich hierbei mittlerweile ja insgesamt um eine akademische Frage handelt.
  6. Eine Frage, die sich eigentlich immer im Brustton der Überzeugung mit “Ja!” beantworten lässt, wie die Erfahrung zeigt.
  7. Wenn du ein Problem mit einem deiner Vornamen hast, besprich das mit deinen Eltern.
  8. Ein Antrag diesbezüglich an den Wahlausschuss ist selbstredend möglich.
  9. nächstes Jahr wird alles besser. Dann gibt es eine neue Wahlordnung, die alles einfacher macht. HAHAHAHAHA!

Der kleine Unterschied

Die nächste Woche wird spannend in der Bonner Hochschulpolitik. Vergangenen Dienstag hat das Rektorat der RFWU Bonn (hoffentlich) die neue Satzung der Studierendenschaft genehmigt. Und je nachdem, wann diese jetzt veröffentlicht wird, ändert sich die Zusammensetzung des am kommenden Mittwoch zu wählenden Wahlausschusses.

Zum Hintergrund: Ausschüsse des SP werden so besetzt, dass die Mehrheitsverhältnisse im SP sich in ihnen widerspiegeln sollen. Jede Fraktion darf deshalb eine gewisse Zahl an Bewerbern vorschlagen, abhängig von der Sitzzahl die sie innehat: Je mehr Sitze, desto mehr Vorschläge.

In der neuen Satzung wird nun gleichzeitig mit dem Verfahren zur Berechnung der Sitzverteilung das Verfahren zur Berechnung der Ausschussbesetzung geändert: Statt d’Hondt wird Sainte-Laguë/Schepers angewendet. Der Wahlausschuss hat 9+11 Mitglieder, im SP sind 6 Hochschulgruppen vertreten2.

Vorschläge mit d’Hondt:

  • GHG: 4
  • RCDS: 3
  • Jusos: 2
  • LUST: 0
  • LHG: 0
  • Piraten: 0

Vorschläge mit Sainte-Laguë/Schepers:

  • GHG: 3 (-1)
  • RCDS: 2 (-1)
  • Jusos: 2
  • LUST: 1 (+1)
  • LHG: 1 (+1)
  • Piraten: 0

LUST und LHG sollten sich also gegebenenfalls überlegen, wen sie am Mittwoch für den Wahlausschuss vorschlagen wollen. Falls die neue Satzung vor der Wahl des Wahlausschusses veröffentlicht wird, dürften sie Kandidatinnen oder Kandidaten benennen.

Berechnungshintergrund

Sowohl das d’Hondt-Verfahren als auch das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers können als Divisor- oder als Höchstzahlverfahren implementiert werden. Als Divisorverfahren kann man das beispielsweise hier und hier ausprobieren, als Höchstzahlverfahren werden wir es jetzt hier tun.

Grundlage für die Berechnung der Anzahl der Vorschläge für jede Liste ist § 12 (6) der Satzung der Studierendenschaft. Aktuell lautet er wie folgt:

(6) Bei Besetzung der Ausschüsse ist nach dem Höchstzahlverfahren d’Hondt das Stärkeverhältnis aufgrund der Sitze im SP zugrunde zu legen.

In der Neufassung ist lediglich das “Höchstzahlverfahren d’Hondt” durch das “Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren” ersetzt. Der Unterschied zwischen den beiden Verfahren besteht nun darin, wie gerundet wird (Divisorverfahren) bzw. durch welche Zahlen geteilt wird (d’Hondt).

Bei d’Hondt werden die Sitzzahlen der Listen jeweils durch 1,2,3,… geteilt und dann die 9 größten Zahlen daraus ermittelt. Jede Liste darf dann so viele Personen vorschlagen, wie sie Zahlen unter den Top 9 hat.

Nach d'Hondt bekommt die GHG 4 Vorschläge, der RCDS 3 und die Jusos dürfen 2 Personen vorschlagen.

Nach d’Hondt bekommt die GHG 4 Vorschläge, der RCDS 3 und die Jusos dürfen 2 Personen vorschlagen. (Zahlen auf 2 Nachkommastellen gerundet)

Beim Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers ändert sich ein winziges Detail: Es wird nicht mehr durch 1-2-3-…, sondern durch 0,5-1,5-2,5-… geteilt – die Teiler sind also immer um 0,5 kleiner. Welchen Effekt das hat, sehen wir hier:

GHG und RCDS müssen je einen Vorschlag an LUST und LHG abgeben.

GHG und RCDS müssen je einen Vorschlag an LUST und LHG abgeben. (Zahlen auf 2 Nachkommastellen gerundet)

Die “kleinen” Listen bekommen einen Bonus und dürfen plötzlich mehr mitreden.

Mal sehen, was draus wird.

  1. die Fachschaftenkonferenz darf auch noch einen Vorschlag machen
  2. Eigentlich haben die “Fraktionen” Vorschlagsrecht, die Piraten-HSG ist jedoch fraktionslos. Unterschied macht das aber im Ergebnis keinen, wie wir sehen werden.