Wie der Wahlausschuss einmal vor Gericht gegen die Uni verlor

Es ist ein Running Gag in Studierendenkreisen, dass man gegen die Universität Bonn vor Gericht eigentlich nur gewinnen kann.

Umso spannender ist es, wenn einmal das Gegenteil eintritt.

Wir befinden uns im Januar 2016. Das Studierendenparlament hatte die Durchführung einer “Urabstimmung über die Einführung und Teilfinanzierung der Einführung einer UniCard” beschlossen, außerdem war ein erfolgreiches Verlangen nach einer “Urabstimmung über die Mitgliedschaft im Dachverband »freier zusammenschluss von studentInnenschaften«” eingereicht worden. Da die Urabstimmungen gemeinsam mit der Wahl zum Studierendenparlament durchgeführt werden, übernimmt der Wahlausschuss die Aufgaben des Urabstimmungsausschusses (UA).

Zur Durchführung einer jeden Urabstimmung gehört nach § 15 Abs. 4 der Satzung der Studierendenschaft auch eine Urabstimmungsbenachrichtigung:

(4) Der UA ist für die Durchführung der Urabstimmung bei ordnungsgemäßem Verlangen oder bei entsprechendem SP-Beschluss zuständig. Er veranlasst, dass alle Studierenden eine Urabstimmungsbenachrichtigung erhalten, die den Termin der Urabstimmung und den Wortlaut des abzustimmenden Antrags enthält.

Es musste also eine Urabstimmungsbenachrichtigung versendet werden. Früher™ hätte man für so etwas viel Geld an die Deutsche Post bezahlt, damit sie kleine Briefchen an die Studierenden austrägt. Heutzutage bietet es sich allerdings an, über das HRZ eine E-Mail an alle Studierenden zu versenden. Die Möglichkeit, Brief oder Rundmail zu versenden, hat hier aber ausschließlich die Universität, weil sie die notwendigen Daten dazu besitzt. Das wird gleich nochmal wichtig.

Im Januar, also reichlich spät1, wurde daher im Rektorat nach der Genehmigung einer Rund-E-Mail an alle Studierenden gefragt. Die E-Mail sollte den üblichen “Es sind Wahlen und ihr dürft abstimmen”-Text enthalten, und außerdem die Benachrichtigung für die beiden Urabstimmungen inklusive die beiden Texte, über die es abzustimmen galt.

An letzterem störten sich allerdings das Rektorat und sein Justitiariat: Die Abstimmungstexte dürften nicht in der E-Mail enthalten sein; als Hauptgrund wurde angeführt, dass dies die Neutralität der Universität bezüglich der Angelegenheiten der Studierendenschaft gefährden würde.2

Nach zäher Verhandlung war das Rektorat bereit, eine E-Mail zuzulassen, die neben dem allgemeinen Wahlaufruf lediglich auf die Urabstimmungen hinwies und einen Link auf die Abstimmungstexte enthielt. Das würde der Satzungsbestimmung genüge tun.

Blicken wir nochmal auf den relevanten Teil von § 15 Abs. 4 SdS:

die den Termin der Urabstimmung und den Wortlaut des abzustimmenden Antrags enthält.

Dass der Vorschlag von Rektorat/Justitiariat ausreichend für die Erfüllung der Satzungsbestimmung sein soll, nun ja. Wie drückt man das jetzt aus? Es erschließt sich nicht unmittelbar. Wir gehen daher im folgenden davon aus, dass der Urabstimmungsantragstext Buchstabe für Buchstabe enthalten sein muss.

Da sitzt man dann also als Wahl-/Urabstimmungsausschuss. Man muss eine Benachrichtigung an alle Studierenden schicken, die die Wortlaute der Urabstimmungen enthält. Falls man das nicht tut, läuft man Gefahr, dass man die gesamte Abstimmung hinterher wegen dieses Formfehlers von einem Verwaltungsgericht um die Ohren gehauen bekommt.

Die einzige, die diese Benachrichtigung versenden lassen kann, ist die Universität3. Die will aber nicht.

Dazu kommt: Die Universität muss diese E-Mail auch erst einmal nicht zulassen. Die Wahlordnung gilt nur für die Studierendenschaft, in diesem Fall für den Wahlausschuss. Dass der ohne ihre Hilfe seine Aufgabe nicht erfüllen kann, ist erstmal nicht ihr Problem.

Das führt aber zu interessanten Überlegungen: Wenn der Wahlausschuss seine Aufgabe nicht erfüllt, könnte man sich bei dessen Rechtsaufsicht beschweren. Das ist die Universität. Man würde sich also bei der Universität beschweren, dass der Wahlausschuss gegen die Satzung verstößt, weil die Universität ihn nicht lässt. Spaßig!

Jede Wahlordnung wird vor Inkrafttreten vom Rektorat geprüft und genehmigt. Irgendwann™ wurde also auch einmal diese Wortlaut-Regel geprüft und genehmigt. Da sollte das Rektorat doch jetzt nicht plötzlich “machen wir nicht” sagen können?

Und schließlich ist der Wahlausschuss auch noch eine Behörde. Da schreit dieser Fall geradezu nach Amtshilfe.

Die Abstimmung rückte immer näher, und die Benachrichtigung konnte nicht in der vorgeschriebenen Form versendet werden. Was tat unser reichlich mit Juristen in Ausbildung ausgestatteter Wahlausschuss angesichts der drohenden Ungültigkeit der Urabstimmungen? Das Zauberwort heißt “einstweiliger Rechtsschutz”4. Der Wahlausschuss ließ (fertig ausgebildete) Rechtsanwältinnen und -anwälte zum Verwaltungsgericht Köln laufen und beantragen, der Universität zügigst aufzutragen, die E-Mail in der vom Wahlausschuss für notwendig erachteten Form versenden zu lassen.

Das Verwaltungsgericht Köln hat diesen Antrag mit Beschluss vom 15. Januar 2016 abgelehnt (Beschluss im Volltext).

Geradezu amüsant ist folgende Passage aus dem Beschlusstext:

beschluss_vgkoeln_rundmail_auszug

Da staunt der Laie, und die Fachfrau fazialpalmiert.

Die Rundmail wurde daraufhin ohne den Wortlaut der Urabstimmungsanträge, sondern lediglich mit einem Link auf sie versendet.

Auch für den Wahlausschuss hatte dieser Beschluss etwas Gutes: Zwar ist die Argumentation, weshalb der Wortlaut nicht enthalten sein muss, immer noch hanebüchen. Bei einer Anfechtung der Urabstimmung könnte der Ausschuss aber guten Gewissens auf den Gerichtsbeschluss verweisen und “uns trifft keinerlei Schuld” singen.

Man hätte diese Angelegenheit nach der Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes übrigens immer noch in einem ordentlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht klären lassen können. Dazu hatte dann im Studierendenparlament aber irgendwie niemand mehr Lust.

  1. die Wahlen/Urabstimmungen fanden in der zweiten Januarhälfte statt
  2. Das halte ich persönlich für Humbug, da die Universität lediglich dem Wahlausschuss für die Erfüllung einer sich aus der Satzung der Studierendenschaft ergebenden Aufgabe ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen, und nicht z. B. selbst als Verfasserin der E-Mail auftreten würde. Aber ich habe ja auch keine Ahnung, gell.
  3. Genau genommen sagt das Rektorat (Uni) dem HRZ (Uni), dass es eine ganz bestimmte E-Mail des Wahlausschusses (nicht Uni) an alle Studierenden versenden soll.
  4. Ja, das sind zwei Wörter. Gut gezählt!