Bei einer geheimen Wahl müssen die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung von Wahlberechtigten zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können.
Das habe nicht ich mir ausgedacht, sondern das Bundesverfassungsgericht. Und sie haben Recht. Denn dem Ergebnis einer Wahl, bei dem ich nicht verstehe, wie es zustande kam, kann ich nicht vertrauen.
Bei einer Urnenwahl benötige ich keine besondere Sachkenntnis, um die Abläufe und die Maßnahmen zur Wahlsicherung zu verstehen. Ich muss lediglich nachvollziehen können, wie sichergestellt wird, dass jede Person maximal einmal wählen kann; dass Stimmzettel sich in der Urne nicht von selbst vermehren können; dass so eine versiegelte Urne generell undurchlässig für Papier ist; und für die Auszählung, wie Addition funktioniert. Das ist machbar.
Die Abläufe bei einer Online-“Wahl” kann ich ohne besondere Sachkenntnis nicht überprüfen. Man sieht einem Computer selbst als Expert*in nicht an, was er tatsächlich tut.
Damit ist eine Online-“Wahl” als Verfahren ungeeignet, eine geheime Wahl durchzuführen, die die elementaren Wahlgrundsätze erfüllt.
Somit erübrigt sich auch jede Diskussion über Vor- und Nachteile, die so eine Online-“Wahl” bringen könnte. Das Verfahren ist einfach prinzipbedingt ungeeignet. Fertig.
Fragen, Einwände und Antworten
Frage: Kann man das Problem nicht mit Kryptographie lösen?
Antwort: Um kryptographische Verfahren zu verstehen, benötigt man besondere Sachkenntnis.
Frage: Was wäre, wenn der gesamte Programmcode öffentlich wäre?
Antwort: Zum Verstehen von Programmcode benötigt man besondere Sachkenntnis.
Einwand: In der Zukunft wird sicher ein tolles Verfahren erfunden, mit dem das dann geht!
Antwort: Wir leben aber im hier und jetzt. Du kannst dieses Problem der Online-“Wahl” auch nicht dadurch lösen, “mehr Kryptographie” oder “mehr Technologie” auf das Problem zu werfen. Denn die Komplexität der Technologie ist das Kernproblem.
Einwand: Aber mit einer Online-“Wahl” steigt die Wahlbeteiligung!
Antwort: Das wäre zu beweisen, und ändert nichts daran, dass das Verfahren prinzipbedingt ungeeignet ist.
Einwand: Aber alle anderen machen Online-“Wahlen”!
Antwort: Das ändert nichts daran, dass das Verfahren prinzipbedingt ungeeignet ist.
Frage: Warum ist es überhaupt so wichtig, dass bei einer geheimen Wahl die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung von Wahlberechtigten zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können müssen?
Antwort: Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl (Art. 38 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG), der gebietet, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen. Bereits wenn nur eine Handvoll Expert*innen versteht, wie die Wahl funktioniert, wäre das nicht mehr gegeben.
Frage: Sind Urnenwahlen nicht auch fälschbar?
Antwort: Es geht hier nicht um Fälschungssicherheit, sondern um Nachvollziehbarkeit. Eine Urnenwahl hat das angesprochene Problem nicht. Gerade weil sie so primitiv ist. Stimmzettel kommen in die Box und erst zur Auszählung wieder heraus. Du kannst Stimmzettel zweimal, dreimal zählen. Alle Zahlen zur Not per Hand nachrechnen.
Einwand: Aber diese Person vom Sales-Team dieses Herstellers sagt, dass das Verfahren sicher ist, einwandfrei funktioniert und vom BSI zertifiziert ist!
Antwort: Die wird halt dafür bezahlt, das zu verkaufen, obwohl das Verfahren prinzipbedingt ungeeignet ist.
Frage: Aber diese Software hier ist doch vom BSI zertifiziert?
Antwort: Ein BSI-Zertifikat ändert nichts daran, dass das Verfahren prinzipbedingt ungeeignet ist.
Einwand: Aber diese Expert*innen hier sagen, dass das Verfahren sicher ist!
Antwort: Das musst du aber selbst überprüfen können.
Frage: Warum fordern Leute trotzdem die Einführung von Online-“Wahlen”?
Antwort: Vermutlich, weil sie andere Prioritäten haben. Das ist nachvollziehbar, ändert aber nichts daran, dass das Verfahren prinzipbedingt ungeeignet ist. Wer trotz diesem Wissen die Einführung von Online-“Wahlen” fordert, handelt unlauter.