Aufwand und Ertrag

Wer Missetaten begehen will, überlegt sich oft zuerst, wie mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Unheil angerichtet werden kann. Da sprechen wir dann von Aufwand und Ertrag, oder dem allseits bekannten Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Ein Beispiel: Nehmen wir einmal an, wir möchten die Wahlen zum Studierendenparlament trollen. Weit hergeholt, ich weiß.

Das teuerste an so einer Wahl ist die Bezahlung der Wahlhelfenden. Das zweitteuerste dürfte die Wahlzeitung sein.

In der Wahlzeitung bekommt jede Liste eine vorher festgelegte Anzahl an Seiten, auf denen sie ihr Wahlprogramm ausbreiten darf. Dafür sind ihr, abseits der allgemeinen Gesetzeslage, keine inhaltlichen Grenzen gesetzt.

Nun gibt es da einen interessanten Aspekt, der bislang wenig Beachtung gefunden hat. Für die Einreichung einer Liste benötigt man pro volle 1000 Wahlberechtigte eine Unterstützungsunterschrift. Aktuell sind das etwa 35 Unterschriften.

Bis 2014 galt: Jede Person darf nur eine einzige Listenbewerbung unterstützen.

4. je volle tausend Wahlberechtigte eine Unterstützer/innen/unterschrift. Kandidat/inn/en gelten als Unterstützer/innen. Jede/r Wahlberechtigte/r kann nur eine Wahlbewerbung unterstützen.

Man könnte auf die Idee kommen, eine oder mehrere Troll-Listen anmelden, um unter anderem die Wahlzeitung aufzublähen und Kosten zu verursachen. Wir nennen dieses Verfahren an dieser Stelle mal “Listenblähung”. Das Aufwand-und-Ertrag-Diagramm dafür sah bis 2014 folgendermaßen aus:

"Die Skalierung der Y-Achse ist hier aber misslungen", mag die ein oder andere hier meinen. Oh nein!

“Die Skalierung der Y-Achse ist aber misslungen”, mag hier die ein oder andere meinen. Tja…

Pro Trollliste wurden 35 Personen benötigt, die die Liste unterstützen, und von denen mindestens eine für die Liste kandidiert. Bei der aktuellen Hochschulpolitik-Unlust innerhalb der Studierendenschaft unwahrscheinlich, dass damit größerer Schaden angerichtet werden kann. Ein unattraktives Vorgehen! Dann klaut man doch lieber eine Wahlurne.

Mit der Reform der SP-Wahlordnung 2014 hat sich auch die Regel für Unterstützungsunterschriften geändert. Eine Person darf nun mehrere Listen unterstützen. Weil das dann weniger Probleme verursacht, war damals die Idee dahinter.

1. Je volle tausend Wahlberechtigte eine Unterstützungsunterschrift einer wahlberechtigten Person. Wer Teil einer Listenbewerbung ist, unterstützt diese gleichzeitig. Jede Person kann mehrere Listenbewerbungen unterstützen.

Was sagt unser Diagramm?

Äh. Ja, hoppla!

Äh. Ja, hoppla!

Sobald die magische Schwelle von 35 Personen1 überschritten ist, kann eine Liste pro Person eingereicht werden. (Zahlenmenschen sprechen von einer linearen Abhängigkeit.) In den letzten Jahren waren 4 DIN-A4-Seiten pro Liste Standard in der Wahlzeitung, damit wären wir bereits mit 35 zusätzlichen Listen bei 170+ Seiten. Das ist natürlich auch ein Weg, eine Dissertation zu veröffentlichen. Vom entstehenden Chaos auf dem Stimmzettel, der plötzlich 35 Einpersonenlisten zusätzlich aufnehmen muss, ganz zu schweigen.

Zusammenfassung

Sind sich >35 Studierende einig, dann können sie eine Studierendenparlamentswahl ganz legal hart sabotieren. Möglich machte das eine Wahlordnungsänderung 2014.

Wenn sich >2000 Studierende finden, die für eine Urabstimmung zum fzs-Austritt unterschreiben, dann finden sich bestimmt auch 40 Studierende, die Trolllisten unterstützen.

 

  1. Oder wo auch immer sie dann genau liegt, das schwankt ja.

Verschätzt

Die Wahl zum 38. Studierendenparlament und die beiden Urabstimmungen sind seit Donnerstagabend beendet, doch das Ergebnis der Urabstimmungen lässt immer noch auf sich warten. Die Auszählung, die direkt im Anschluss an die Wahl startete, wurde am Freitagmorgen gegen fünf Uhr ohne Endergebnis abgebrochen. Die Auszählung der Urabstimmungszettel war bereits um drei Uhr morgens eingestellt worden, um die Auszählung der SP-Wahl zu priorisieren. Von der gibt es immerhin mittlerweile ein Ergebnis. Die Auszählung der Urabstimmungen soll am morgigen Montag fortgesetzt werden.

Was ist da denn schiefgelaufen?

Noch am Vortag meinte ich, als die Auszählhelferinnen und Auszählhelfer praktisch alle fragten, wie lange die Auszählung denn dauern würde, dass der Zeitaufwand vermutlich in etwa so wie im letzten Jahr auch sein würde, die Auszählung also bis etwa ein Uhr daure. Die Urabstimmungen könne man schließlich ziemlich schnell zählen, da im Gegensatz zur SP-Wahl nur vier Optionen unterschieden werden müssten. Eine fatale Fehleinschätzung, was uns gegen 22 Uhr so langsam klar wurde, als die Auszählergebnisse immer noch nur spärlich bei den Auszählrechnern zur Eingabe eintrudelten.

Vergleichen wir einmal den Aufwand für die Auszählung einer Urne bei einer regulären SP-Wahl ohne Urabstimmung mit dem Aufwand in diesem Jahr:

auszaehlung-sp

Wie viel Zeit geht für die Auszählung einer Urne bei einer regulären SP-Wahl drauf?

Die Urne wird an den Auszähltisch geholt, geöffnet und geleert, dann werden die Stimmzettel nach Listen sortiert und gezählt. Zu guter Letzt wird das Ergebnis in ein Berichtsblatt eingetragen.

Wie viel Zeit verschlingt die Auszählung von einer SP-Wahl und drei zusätzlichen Urabstimmungsfragen?

Wie viel Zeit verschlingt die Auszählung von einer SP-Wahl und drei zusätzlichen Urabstimmungsfragen?

Im Vergleich zur SP-Wahl ist die Auswahl für eine Urabstimmungsfrage recht begrenzt – neben Ja, Nein, Enthaltung und Ungültig gibt es nichts. Daher dauert die Sortierung und Zählung auch nur halb so lange wie bei den SP-Zetteln. Die UniCard-Abstimmungszettel müssen jedoch auf irgend eine Art zweimal sortiert werden (je einmal pro Frage), und schon dauert die Auszählung der Urabstimmungen insgesamt länger als die der SP-Wahl. Hinzu kommt außerdem der Aufwand nach Öffnung der Urne, die drei Abstimmungszettel erst einmal zu trennen.

Der Gesamtaufwand pro Urne wird also im Vergleich zu den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Außerdem ist die Zahl der abgegebenen Stimmen in diesem Jahr im Vergleich zum letzten Jahr um 40 % gestiegen, was die Auszähldauer weiter erhöht.

Im Nachhinein betrachtet ist es also nicht verwunderlich, dass morgens um sechs Uhr immer noch kein Ergebnis feststand.

Wäre es da sinnvoll gewesen, zur Auszählung doppelt so viele Personen einzusetzen? Gut möglich. Das hat uns aber vorher niemand gesagt. Und von selbst sind wir auch nicht drauf gekommen. Wie gesagt: “Die Urabstimmungen gehen ja schnell”.

Hach ja.

Stark beeindruckt haben mich aber unsere für die Auszählung eingesetzten Helferinnen und Helfer. Obwohl ich ihnen zuvor erzählt hatte, die Auszählung ginge “bis wir fertig sind, also wahrscheinlich wieder bis null, ein Uhr”, hat sich nicht eine Person bei mir beschwert, als es dann doch “ein bisschen” länger dauerte.

Vielleicht waren sie aber auch nur zu erschöpft, um sich zu beschweren.