Erstwahl-Spam

Dass ich noch jung und vital bin merkt man in letzter Zeit weniger an meiner jugendlichen Vitalität, sondern mehr an der Erstwähler-Werbung, die mich offenbar um jeden Preis zum Wählen motivieren will, obwohl ich das nicht nötig habe und diese Kampagnen eher einen gegenteiligen Effekt bewirken. Sei’s drum.

In den letzten beiden Wochen gaben sich kurz nacheinander die SPD und die CDU die Ehre in meinem Briefkasten.

Wählmich-Aufruf SPDOkay, eigentlich die Junge Union, nicht die CDU. Aber dazu später mehr.

<Einschub> Liebe JU, das Merkelhändchen ist und bleibt ein Anti-Merkel-Symbol. Auch wenn ihr das mit komischen Flashmobs umzudeuten versucht. </Einschub>

Die Rückseiten sind dann doch sehr erwartbar. Ulrich Kelber (der Direktkandidat) sagt mir, dass es um mich geht, und ich deshalb wählen gehen soll. Die Junge Union Bonn (irgend eine Organisation die man nicht wählen kann) sagt mir, was ich mit welcher Stimme wähle und macht mir unverbindliche Empfehlungen – die Claudia Lücking-Michel für die Erststimme und die CDU mit Angela Merkel an der Spitze für die Zweitstimme. Das muss man ja auch dazusagen, gell.

Fun-Fact: Das Handy erkennt auf dem Motiv nur 2 Gesichter - Claudia Maria Lücking-Michel gehört nicht dazu.

Fun-Fact: Das Handy erkennt auf dem Motiv nur 2 Gesichter – Claudia Maria Lücking-Michel gehört nicht dazu.

Ich will solche Post nicht. Schon gar nicht an mich persönlich, iih.

Praktischerweise gibt es seit vielen Jahren einen netten Fragebogen, den man für solche Fälle verwenden kann. Was ich auch getan habe. Also flugs Daten eingetragen, ausgedruckt und ab die Post. Für die JU sogar mit Madonnen-Briefmarke.

Was kam zurück?

Die SPD

(genauer Ulrich Kelber, der Direktkandidat) schickt drei Tage später einen dicken Brief zurück, mit folgendem Inhalt:

  • persönliches Anschreiben von Ulrich Kelber MdB (1 ¼ Seiten)
  • Auszug aus dem Meldegesetz NRW (von einem 24-seitigen Ausdruck das Titelblatt und die Seite mit § 35)
  • Werbeflyer “Gut für Bonn! Transparenz wählen. Ihre Erststimme für Ulrich Kelber” von einer “Wählerinitiative Transparenz”
  • Werbebrief “Datenschutz ist Demokratieschutz” von Ulrich Kelber

Im Anschreiben wird erklärt, dass die Parteien nach § 35 Meldegesetz die Adressen bekommen, dass die SPD selbstverständlich alle gesetzlichen Vorschriften befolgt, die sehr eng seien, und dass man beim Einwohnermeldeamt gegen die Weitergabe Widerspruch einlegen kann – die Adresse und Telefonnummer sind direkt mit angegeben. Außerdem freut sich Ulrich Kelber über die Sensibilität für den Datenschutz und weist auf das beigelegte Werbematerial und weitere Kontaktmöglichkeiten hin.

Die JU

hat gar nicht geantwortet, sondern der “Christlich Demokratische Union Kreisverband Bonn”1. Der Inhalt dieses Briefumschlags ist der folgende:

  • persönliches Anschreiben von Stephan Masseling, Kreisgeschäftsführer (1 ¼ Seiten)

Im Anschreiben wird ausführlich erklärt, dass und welche Adressdaten nach § 34 Meldegesetz abgefragt werden dürfen2, und die Verwertung der Daten durch die CDU und die beauftragte Druckerei erläutert. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass der Datenweitergabe beim Einwohnermeldeamt widersprochen werden kann. Auch Herr Masseling steht für Rückfragen zur Verfügung.

Fazit

Beide Parteien haben zügig geantwortet. Leider nicht auf den Fragebogen, sondern generell auf meine Besorgnis.

Fazit CDU

+ woher die Daten stammen wurde detailliert erläutert
+ der Verwendungszweck wurde implizit erläutert
+ die Löschung durch CDU und Hausdruckerei wurde bestätigt
+ schnelle Antwort
+ echte Unterschrift 🙂

welche (sonstigen?) Daten über mich gespeichert sind wurde mir nicht mitgeteilt
dass ich die zukünftige Speicherung untersagt habe, wurde kommentarlos übergangen
die Antwort kam nicht von denen, die ich angeschrieben hatte

~ dass ich die Weitergabe untersagt habe, wurde kommentarlos übergangen, da die Daten jedoch gelöscht wurden, hat sich das ja erübrigt

Fazit SPD

+ woher die Daten stammen wurde erläutert
+ Auszug des Gesetzestextes beigefügt
+ der Verwendungszweck wurde implizit erläutert
+ die Vernichtung der Daten wurde bestätigt
+ eine Weitergabe der Daten wurde verneint
+ schnelle Antwort
+ der Kandidat höchstpersönlich hat geantwortet und unterschrieben 🙂
+ Die Hausnummer der Adresse war falsch – da glaube ich doch gleich, dass meine Daten wirklich vernichtet wurden 😉

welche (sonstigen?) Daten über mich gespeichert sind wurde mir nicht mitgeteilt
dass ich die zukünftige Speicherung untersagt habe, wurde kommentarlos übergangen
Werbung

~ der relevante Teil von § 34 fehlte leider im Auszug des Gesetzestextes

Was sonst noch war

Interessant, dass Claudia Lücking-Michel offenbar gar nichts mit ihrer Kampagne zu tun hat, sondern der Jugendverband die “Drecksarbeit” für sie erledigt. Die Jusos verteilen für Herrn Kelber zwar auch Flyer und demonstrieren auf Merkel-Wahlkampfveranstaltungen für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften (“Gott will die Homo-Ehe!”), aber um die Erstwähler kümmert sich der Kandidat anscheinend doch höchstpersönlich.

Da mir alle anderen Parteien weder aufgerissene Briefumschläge noch Flugtickets haben zukommen lassen, kann ich darüber jetzt hier nichts berichten. Vielleicht in 4 Jahren, wenn sich im Kanzlerduell die Kandidatinnen der beiden großen Volksparteien PIRATEN und AfD gegenüberstehen und sich einen erbitterten Kampf um die Briefkasten der Nation liefern.

  1. Wenn ich jetzt an den “RCDS Bonn e.V. schreibe, der ebenfalls in der Carl-Troll-Straße 63 residiert, antwortet dann die Kandesbunzlerin persönlich?
  2. Hier hat allerdings die SPD recht, es ist § 35. Der sich auf § 34 bezieht. Kompliziert, ich weiß.

Warum Claudia Lücking-Michel von der CDU im September meine Stimme mit großer Wahrscheinlichkeit vermutlich nicht bekommen wird

(Nachdem die Frau Ellebil mit ihren “Warum…”-Erklärbär-Artikeln so erfolgreich ist, kopieren wir das hier einfach mal dreist.)

Ich kommuniziere meine Wahlentscheidungen grundsätzlich nicht – egal, ob es um die Volksabstimmung zum Nichtraucherschutz in Bayern, die Landtagswahl in NRW oder die SP-Wahl an der Uni Bonn geht. Weil ich es kann. Schon super, diese Grundrechte.

Allerdings möchte ich doch darlegen, warum Frau Claudia Lücking-Michel von der CDU im September bei der Bundestagswahl meine Stimme mit großer Wahrscheinlichkeit vermutlich nicht bekommen wird. Dies hat nämlich primär gar nichts mit Politik zu tun. Sondern mit, sagen wir, “menschlichem Spezialexpertentum”.

Im Sommersemester, wenn das Wetter angenehm ist, kommt man von Auerberg nach Poppelsdorf am schnellsten mit dem Rad. An bis zu drei Tagen der Woche war dies in diesem Semester mein Weg zur Uni. Dabei kommt man auch am Chlodwigplatz vorbei, einem lauschigen Plätzchen mit Brunnen abseits der großen Kreuzung auf dem Kaiser-Karl-Ring, dort wo die Linie 61 auf die Kölnstraße einbiegt. Der gemeine Radfahrer auf dem Weg zur Uni hingegen wechselt umgekehrt von der Kölnstraße auf den Kaiser-Karl-Ring. Und hier kommt Frau Lücking-Michel ins Spiel.

Seit etwa zwei Wochen tauchen in Bonn überall Malungen ihres bezaubernden Antlitzes auf großen Plakaten auf, die von jungen dynamischen Burschen jenseits der 60 an allem befestigt werden, was bei Drei noch wie ein Metallpfosten aussieht. Und raten Sie mal, welchen Pfosten die Wahlkampf-Boyz sich ebenfalls ausgeguckt haben! Ja!

Claudia Lücking-Michel steht, nein, hängt im Weg

Claudia Lücking-Michel steht, nein, hängt im orange eingezeichneten Fahrweg.

Nun werden einige von Ihnen sagen: “Was jammert der denn so. Stört doch nicht.” Denen aber sage ich: Na doch. Das Plakat hängt da schon sehr fett in den Radweg hinein.

Kein Vorbeikommen an Claudia Lücking-Michel

Kein Vorbeikommen an Claudia Lücking-Michel

Selbst eine Drehung des Plakats um 90° würde nicht viel bringen, da dann der von Norden kommende Radverkehr noch stärker beeinträchtigt würde. Die einzig mögliche Lösung: Abwähl… äh Abhängen. Gibt ja noch genug andere Pföstchen, von denen herab ihr bezauberndes Antlitz einen anstarrt.

So viel also zur morgendlichen Blutdrucksteigerung der letzten beiden Wochen.

Heute waren die Wahlkampf-Boyz dann noch zusätzlich vor meinem Fenster unterwegs (deshalb kenne ich auch ihre Altersstruktur). Zunächst hatte es den Anschein, als wollten sie folgende Installation vornehmen:

Wonach es aussah (Fotomontage)

Wonach es aussah (Fotomontage)

Das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen. Vielleicht spürten sie die negativen Schwingungen. Jedenfalls hängt Frau Lücking-Michel jetzt um 90° gedreht und zum Glück für uns beide außerhalb meiner Reichweite. Bin ich froh, wenn dieser Wahlkampf vorbei ist und die Politikergesichter wieder aus dem Stadtbild verschwinden.

Wobei – das Plakat der GHG vor der LVR-Klinik, das eigentlich im Februar wieder entfernt werden sollte, gammelt da immer noch herum.

Ich bin zu klein. Zum Glück.

Ich bin zu klein. Zum Glück.

Update (23.07.):