Wie man einen Antrag an das Studierendenparlament stellt

Demnächst dürfte wieder mal ein “Antrag” der Kulturgruppe “Erinnern und Gedenken” auf Bezuschussung ihrer Gedenkfahrt auf der Tagesordnung des Studierendenparlaments stehen.

Diese Kulturgruppe hat es in den vergangenen drei Jahren nie geschafft, einen ordentlichen Antrag zu stellen. Findige Parlamentarier haben deshalb in schöner Regelmäßigkeit bemerkt, dass es ja gar keinen Antrag gebe, über den man abstimmen könne, und daher auch kein Geld bewilligt werden könne. Da es dem Ansehen des Studierendenparlaments aber immens schaden würde, wenn publik würde, dass das Studierendenparlament die Förderung einer Gedenkstättenfahrt nach Oswiecim/Auschwitz (Polen) nicht beschließt1, wurden von emsigen Parlamentariern regelmäßig anständige Beschlussanträge auf der Sitzung nachgereicht.

Doch dieses Jahr muss das hoffentlich nicht mehr sein, denn ich erkläre exklusiv, wie einfach es ist, einen Antrag an das Studierendenparlament zu stellen:

  1. Der Antrag beginnt mit der Eingangsformel “Das SP möge beschließen:”2.
  2. Der Antrag beschreibt, was beschlossen werden soll. Also nicht “Wir fahren da und da hin und das kostet so ca. eine Fantastilliarde Euros. Voll viel Geld!”, sondern der wichtige Teil ist das “Das SP unterstützt die Fahrt mit 800 €”. Alles andere kann in die Begründung.
  3. Der Antrag wird unterschrieben. Von den Antragsstellern oder jemandem, der sie vertritt.3 Ein Datum wär auch nicht schlecht.
  4. Der Antrag wird schriftlich eingereicht, und zwar beim SP-Präsidium.4 Also entweder persönlich oder ins Postfach im AStA-Flur. Und da Finanzanträge mit der Einladung versendet werden müssen5, sollte man die auch rechtzeitig einreichen (mindestens eine Woche vorher).

Kompliziert, gell?

  1. Ich glaube das ja nicht. Seit wann nimmt die breitere Öffentlichkeit Notiz davon, was im SP beschlossen wird?
  2. Das steht in der Geschäftsordnung des Studierendenparlaments.
  3. Auch das steht in der Geschäftsordnung.
  4. Auch das steht in der, wer hätte es gedacht, Geschäftsordnung.
  5. Das steht in der Satzung der Studierendenschaft

Zählen wie die Profis

Zum heutigen Ostersonntag habe ich mich auf eine Eiersuche der besonderen Art begeben. Dazu bin ich an diesem sonnigen Tag in die düsteren Archive der Uni Bonn hinabgestiegen – nun gut, nicht direkt, sondern lediglich in den digitalisierten Teil.

Wenn das Studierendenparlament die Satzung der Studierendenschaft ändert, dann verabschiedet es zu diesem Zweck eine Änderungssatzung. Sozusagen eine Satzungsänderungssatzung (das heißt wirklich so).

Die aktuell gültige Fassung unserer Satzung ist durch ein Dokument mit dem wohlklingenden Namen “Dritte Änderungssatzung und zugleich Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn” entstanden. Da unser Studierendenparlament kürzlich 50-jähriges Jubiläum feierte, kann man sich natürlich fragen, ob diese Zahl (drei) da nicht ein bisschen gering erscheint. Eine Recherche in den amtlichen Bekanntmachungen der Universität Bonn bringt die Dokumente der folgenden Tabelle hervor und, soviel sei vorab schon einmal verraten, es sind mehr als drei. Unter der Tabelle geht es mit ein paar Beobachtungen weiter.

Datum Titel Zahl Kommentar URL
07.01.1974 Änderung der Satzung der Bonner Studentenschaft Mehrteilige AB http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/57364
27.05.1987 Satzung der Studentenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/127917
19.12.1994 Satzung zur Änderung der Satzung der Studentenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 19. Dezember 1994 – 1. Satzungsänderungssatzung 1  FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/125608
14.01.1998 Zweite Satzung zur Änderung der Satzung der Student/inn/enschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 2 Gendering+ http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/65583
02.07.1998 3. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 3  FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/24212
11.11.1999 Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Satzung’78+1+2+3 http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/24162
09.11.2001 4. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 4 FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/24017
18.04.2002 5. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 5 Dienstsiegel http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23600
12.02.2003 6. Satzung zur Änderung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 6 Nachrücken + Stellvertretung http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23502
21.02.2003 Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Neufassung’99 + 4+5+6 http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23505
06.04.2004 Satzung zur Änderung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn FS-Liste + AKUT http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23444
18.12.2006 Zweite Satzung zur Änderung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhems-Universität Bonn 2 FS-Liste http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/23025
16.10.2013 Dritte Änderungssatzung und zugleich Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 3 Letzte gültige Fassung http://epflicht.ulb.uni-bonn.de/periodical/titleinfo/119590

Diese Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zumal vor 1987 offensichtlich etwas fehlt. Gehen wir mal davon aus, dass die Satzung vom 27.05.1987 die “Urmutter” unserer heutigen Satzung der Studierendenschaft ist, und ich alle Änderungen und Neufassungen seitdem gefunden habe.

Offenbar wurden im Abstand von jeweils 3 Änderungssatzungen immer eine Neufassung veröffentlicht, also eine Gesamtfassung des Textes, in der alle Änderungen eingepflegt wurden. Das erleichtert die Lesbarkeit der Satzung enorm, da man dann nicht immer einen Haufen Änderungssatzungen neben den Satzungstext legen muss.

Nach 1987 haben wir drei Änderungssatzungen – eine 1994 und zwei 1998. Im Jahr darauf erscheint eine Neufassung, die diese drei Änderungen beinhaltet.

2001, 2002 und 2003 wird die Satzung wieder geändert, und auch diese Änderungen werden in einer Neufassung von 2003 zusammengefasst. Bis hierhin ist die Zählung sehr konsistent: 1. Änderung, 2. Änderung, 3. Änderung, Neufassung, 4. Änderung, 5. Änderung, 6. Änderung, Neufassung.

Im Jahr 2004 wird eine weitere Satzungsänderungssatzung beschlossen. Diese ändert aber scheinbar nicht mehr die Satzung, sondern die Neufassung der Satzung. Auf eine Nummerierung wird verzichtet, implizit ist es also wohl die erste Änderung der Neufassung.

Dass 2006 auf die implizit erste die explizit zweite Änderungssatzung der Neufassung folgt, ist relativ logisch. “Relativ”.

2013 dann, die Studierenden die die Änderungen 2004 und 2006 verbrochen haben sind schon lange weg1, folgt der bisherige Höhepunkt der Nummerierungsposse: Die “dritte” Änderungssatzung, die aber nicht mehr die Neufassung der Satzung ändert, sondern die Satzung selbst (die ja schon die 6. Änderungsordnung hinter sich hat, wir erinnern uns), und gleichzeitig selbst eine Neufassung ist. Verrückte Welt.

— Exkurs —

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf einen Punkt eingehen, den diese letzte Neufassung umgesetzt hat (es war nicht alles schlecht!). In der Kommentarspalte habe ich grob notiert, welchen Inhalt die jeweiligen Dokumente haben. Fünf der neun Satzungsänderungen beinhalten eine Änderung der Fachschaftenliste, also der Tabelle, die bestimmt, welche Fächer zu welcher Fachschaft zugeordnet sind. Wenn nun ein neues Studienfach auftaucht, dessen Studierende einer Fachschaft zugeordnet werden müssen, dann kann dieser Prozess gut und gerne mal ein Jahr dauern: Zunächst muss die Satzungsänderung geschrieben werden, dann muss das Studierendenparlament sie auf zwei Sitzungen lesen und beschließen, und zuletzt wird sie noch vom Rektorat geprüft und dann veröffentlicht. Und das dauert regelmäßig länger, als man als vernünftig denkender Mensch annehmen würde, wie ein Blick ans Ende der Satzungsänderung von 1994 zeigt:

Bla

Einzige Änderung dieser Änderungssatzung: Eine neue Fachschaftenliste. Siebeneinhalb Monate Prüfzeit dafür sind einfach lächerlich.

Die Satzungsänderung von 2013 hat unter anderem diese Fachschaftenliste in die Geschäftsordnung der Fachschaftenkonferenz ausgelagert. Damit ist eine Änderung der Fachschaftenliste keine Änderung der Satzung mehr, das Rektorat bleibt außen vor und die Änderungen gehen seither um einiges zügiger über die Bühne. Yay!

— Ende Exkurs —

Ausnahmsweise machte ich diese Satzungsrecherche heute aber nicht zu Spaß, sondern mit einem halbernsten Hintergrund: Die nächste Satzungsänderung steht an. Der Satzungs- und Geschäftsordnungsausschuss des Studierendenparlaments hat sie dem Studierendenparlament bereits empfohlen. Und da stellt sich die Frage: Die wievielte Satzungsänderung ist das denn nun? Die Daten habe ich geliefert, jetzt dürfen sich die Studierenden der Rechtswissenschaft darüber streiten, wenn sei mögen.

  1. Wobei man sich da nicht so ganz sicher sein kann…

Zur Zukunft des Wohnheims Pariser Straße

Vor einem Jahr schrieb ich mal, dass das Wohnheim Pariser Straße bis zum 31. März 2015 entmietet und dann schadstoffsaniert werden sollte.

Den Countdown gibt es immer noch, und er ist mittlerweile ziemlich nahe an der 0 angekommen. Und ich? Ich sitz hier immer noch.

Kürzlich hat das Studierendenwerk per (deutschsprachigem) Aushang bekannt gegeben, dass es sich die Sanierung aktuell nicht leisten kann:

Darüber hinaus sprechen folgende Gründe für eine Verlängerung:
–    Eine Schadstoffsanierung ist sehr teuer. Das Wirtschaftsjahr 2015 steht für das Studentenwerk im Zeichen dreier großer Bauprojekte: Beginn der Komplettsanierung der Mensa Poppelsdorf, Neubau Studentenwohnheim Tannenbusch und Neubau Studentenwohnheim Drususstraße. Zusätzliche finanzielle Belastungen sollten, wenn verantwortbar und rechtlich möglich, verschoben werden.
–    Die Studentenwohnanlage Pariser Straße verfügt über 316 Appartements: dringend benötigter Wohnraum für Studierende. Die Neubauten stehen erst im Laufe des Jahres 2016 zum Einzug bereit.

Das ist aber nicht schlimm, denn:

„Im Hinblick darauf, dass die Aufnahme von PCB mit der Nahrung in den vergangenen Jahren sehr stark zurückgegangen ist, und dass die inhalative Aufnahme von PCB bei den in Räumen der SWA Pariser Straße vorhandenen Raumluftkonzentrationen nur geringfügig zur intrakorporalen PCB-Belastung der Bewohner beiträgt, bestehen gegen eine Verschiebung der Entmietung der Räume und der Sanierungsmaßnahmen auf das Jahr 2016 aus umweltmedizinisch-toxikologischer Sicht keine Bedenken.“
(Quelle: Sanierung der Studentenwohnanlage Pariser Straße in Bonn. Gutachterliche Stellungnahme zur Verschiebung der geplanten Sanierung. Professor Dr. Ulrich Ewers, Sachverständiger für Toxikologie und Umwelthygiene, Essen, 28.01.2015)

Ein neuer Entmietungstermin steht auch schon:

Das Wohnheim Pariser Straße 54 wird spätestens zum 31.03.2016 entmietet und voraussichtlich im Laufe des Jahres 2016 schadstoffsaniert.

Das allerdings glaube ich erst, wenn ich es sehe.

Von all dem wissen die verantwortlichen Personen im Studierendenwerk natürlich schon länger. Aber den Bewohnerinnen und Bewohnern hat man es erst jetzt mitgeteilt.

Ich kann von mir nicht behaupten, dass mich das irgendwie wundert.

Das Schreiben ist aktuell auch auf der Webseite des Studierendenwerks zu finden.