Verschätzt

Die Wahl zum 38. Studierendenparlament und die beiden Urabstimmungen sind seit Donnerstagabend beendet, doch das Ergebnis der Urabstimmungen lässt immer noch auf sich warten. Die Auszählung, die direkt im Anschluss an die Wahl startete, wurde am Freitagmorgen gegen fünf Uhr ohne Endergebnis abgebrochen. Die Auszählung der Urabstimmungszettel war bereits um drei Uhr morgens eingestellt worden, um die Auszählung der SP-Wahl zu priorisieren. Von der gibt es immerhin mittlerweile ein Ergebnis. Die Auszählung der Urabstimmungen soll am morgigen Montag fortgesetzt werden.

Was ist da denn schiefgelaufen?

Noch am Vortag meinte ich, als die Auszählhelferinnen und Auszählhelfer praktisch alle fragten, wie lange die Auszählung denn dauern würde, dass der Zeitaufwand vermutlich in etwa so wie im letzten Jahr auch sein würde, die Auszählung also bis etwa ein Uhr daure. Die Urabstimmungen könne man schließlich ziemlich schnell zählen, da im Gegensatz zur SP-Wahl nur vier Optionen unterschieden werden müssten. Eine fatale Fehleinschätzung, was uns gegen 22 Uhr so langsam klar wurde, als die Auszählergebnisse immer noch nur spärlich bei den Auszählrechnern zur Eingabe eintrudelten.

Vergleichen wir einmal den Aufwand für die Auszählung einer Urne bei einer regulären SP-Wahl ohne Urabstimmung mit dem Aufwand in diesem Jahr:

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Wie viel Zeit geht für die Auszählung einer Urne bei einer regulären SP-Wahl drauf?

Die Urne wird an den Auszähltisch geholt, geöffnet und geleert, dann werden die Stimmzettel nach Listen sortiert und gezählt. Zu guter Letzt wird das Ergebnis in ein Berichtsblatt eingetragen.

Wie viel Zeit verschlingt die Auszählung von einer SP-Wahl und drei zusätzlichen Urabstimmungsfragen?

Wie viel Zeit verschlingt die Auszählung von einer SP-Wahl und drei zusätzlichen Urabstimmungsfragen?

Im Vergleich zur SP-Wahl ist die Auswahl für eine Urabstimmungsfrage recht begrenzt – neben Ja, Nein, Enthaltung und Ungültig gibt es nichts. Daher dauert die Sortierung und Zählung auch nur halb so lange wie bei den SP-Zetteln. Die UniCard-Abstimmungszettel müssen jedoch auf irgend eine Art zweimal sortiert werden (je einmal pro Frage), und schon dauert die Auszählung der Urabstimmungen insgesamt länger als die der SP-Wahl. Hinzu kommt außerdem der Aufwand nach Öffnung der Urne, die drei Abstimmungszettel erst einmal zu trennen.

Der Gesamtaufwand pro Urne wird also im Vergleich zu den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Außerdem ist die Zahl der abgegebenen Stimmen in diesem Jahr im Vergleich zum letzten Jahr um 40 % gestiegen, was die Auszähldauer weiter erhöht.

Im Nachhinein betrachtet ist es also nicht verwunderlich, dass morgens um sechs Uhr immer noch kein Ergebnis feststand.

Wäre es da sinnvoll gewesen, zur Auszählung doppelt so viele Personen einzusetzen? Gut möglich. Das hat uns aber vorher niemand gesagt. Und von selbst sind wir auch nicht drauf gekommen. Wie gesagt: “Die Urabstimmungen gehen ja schnell”.

Hach ja.

Stark beeindruckt haben mich aber unsere für die Auszählung eingesetzten Helferinnen und Helfer. Obwohl ich ihnen zuvor erzählt hatte, die Auszählung ginge “bis wir fertig sind, also wahrscheinlich wieder bis null, ein Uhr”, hat sich nicht eine Person bei mir beschwert, als es dann doch “ein bisschen” länger dauerte.

Vielleicht waren sie aber auch nur zu erschöpft, um sich zu beschweren.

Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung berechnet sich, indem die Zahl der an der Wahl teilnehmenden Wahlberechtigten durch die Gesamtzahl der Wahlberechtigten geteilt wird. Ziemlich unspektakulär.

Schwarzes Prozentzeichen auf selfgelbem Hintergrund. Wenn man den Kopf übrigens um etwa 20° nach rechts neigt, sieht es aus wie ein lustiges Gesicht.

Schwarzes Prozentzeichen auf selfgelbem Hintergrund. Wenn man den Kopf übrigens um etwa 20° nach rechts neigt, sieht es aus wie ein lustiges Gesicht.

Genauso unspektakulär ist auch das Lamentieren, das hernach jährlich anhebt, weil das Ergebnis dieser kleinen Rechenaufgabe wieder einmal für den eigenen Geschmack zu klein geraten ist.

Praktische Relevanz hat die Wahlbeteiligung jedoch keine, da unterscheidet sich unsere Studierendenparlamentswahl nicht groß von anderen, “großen” Wahlen.

Es gibt immer mal wieder Überlegungen, die Höhe der Aufwandsentschädigung für die Wahlhelfenden an die Wahlbeteiligung zu koppeln und solche Späße, aber so etwas würde ja zur Wahlfälschung durch finanziellen Anreiz motivieren, und das möchte man dann doch irgendwie nicht.

Zwischenstände zur Wahlbeteiligung kann der Wahlausschuss am Abend eines jeden Wahltags ermitteln, indem er die Urnenbücher durchgeht und die laufenden Nummern addiert.

Wegen der praktischen Irrelevanz der Wahlbeteiligung war es in den vergangenen Jahren egal, ob der Wahlausschuss seine Zwischenstände kundgetan hat, um auf die Mitleidstour noch ein paar Personen mehr zur Stimmabgabe zu bewegen, oder ob er sie für sich behalten hat.

Doch in diesem Jahr, in dem alles anders ist, ist das ein bisschen anders. Die beiden gemeinsam mit den Wahlen durchgeführten Urabstimmungen haben eine Nebenbedingung1:

Beschlüsse, die auf Urabstimmungen mit Mehrheit gefasst werden, binden die Organe der Studierendenschaft, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder der Studierendenschaft zugestimmt haben.

“Was hat das nun mit der Wahlbeteiligung zu tun?”, könnte man fragen. Die Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen kann man ihr schließlich nicht entnehmen. Klar ist jedoch: Wenn die Wahlbeteiligung bereits unter 20 % liegt, kann das Ergebnis der Urabstimmung nicht mehr verbindlich sein. Betrachtet man die Zahlen der letzten Jahre, dann ist das gar nicht einmal so unwahrscheinlich.

Wenn der Wahlausschuss in dieser Situation Zwischenstände zur Wahlbeteiligung veröffentlicht, könnte das (je nach Zahl) motivierend oder demotivierend auf Wahlberechtigte wirken, und der Wahlausschuss würde dadurch mit der Veröffentlichung mittelbar Einfluss auf das Ergebnis der Abstimmungen nehmen.

Um das zu vermeiden, wird der Wahlausschuss in diesem Jahr möglicherweise explizit keine Zwischenstände veröffentlichen. Ein entsprechender Antrag liegt vor. Das mag den ein oder anderen Zahlenfetischisten traurig stimmen, aber mei.

  1. siehe § 5 Abs. 3 der Satzung der Studierendenschaft, oder auch § 53 Abs. 5 HG

Wahlen wie vor 5 Jahren

Wir können uns die kommenden Wahlen zum XXXVIII. Studierendenparlament sparen und einfach das Ergebnis von 2011 recyceln.

Wieso? Daso:

Grund 1: Gleiche Listenzahl

anzahllisten

Die Zahl der zur Wahl antretenden Listen nahm in den vergangenen Jahren fortwährend ab, zur Wahl 2016 haben wir einen sprunghaften Anstieg. Auf den Stand von 2011.

Grund 2: Gleiche Kandidierendenzahl1

anzahlkandidierende

Auch bei der Gesamtzahl der Kandidierenden war die Tendenz in den letzten Jahren klar fallend – zur Wahl 2016 haben wir einen sprunghaften Anstieg. In etwa auf den Stand von 2011.

Grund 3: Gleiche Kandidierendenzahl bei den Listen2

anzahlkandidierendeproliste

Bei den Listen, die zur Wahl des 33. Studierendenparlaments antraten, sind unterschiedliche Trends zu erkennen: Die Kandidierendenzahl von RCDS und LUST geht zurück und erholt sich dann wieder, bei GHG und PHG beobachten wir einen entgegengesetzten Effekt, und einzig die JUSOS hopsen wild auf und ab – alle, um zur Wahl 2016 wieder auf dem Ausgangswert von 2011 zu landen.

Fazit

Ist der Bologna-Knick überwunden? Haben plötzlich wieder mehr Studierende Lust auf Hochschulpolitik? Man weiß es nicht. Was man aber weiß: Wenn auch noch die Wahlbeteiligung von 2011 kopiert wird (17,0 %), reicht das für die beiden Urabstimmungen nicht aus.

  1. Im Rahmen der Messgenauigkeit
  2. Im Rahmen der Messgenauigkeit, gell!