Von Twitter zum Ticker

Seit Anbeginn der Zeit, genauer gesagt seit ziemlich genau einem Jahr, bietet das Öffentlichkeitsreferat einen Live-Bericht von den Sitzungen des Studierendenparlaments der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn an (meist mit mir an der Tastatur). Zu diesem Zwecke wurde ein eigener Twitter-Account eingerichtet und dann etwa einmal im Monat mit Tweets geflutet.

Die Abgeordneten nahmen es mehr oder weniger gelassen hin, einige machten den Spaß mit, und wieder andere beklagten sich in steter Regelmäßigkeit darüber, dass dies oder das ja so nicht da stehen dürfe und sofort gelöscht zu werden habe.

Was an Twitter nervt

Es sind die 140 Zeichen. Leider. Wenn man für einen einzelnen Beitrag nur sehr wenige Zeichen zur Verfügung hat (und darin auch noch ständig die Zeichenfolge “#spbn (ß)” unterbringen muss), passieren zwei Dinge: Man schreibt knapper und man schreibt und postet schneller.

Eine SP-Debatte verläuft nun nicht gerade linear. Redner beziehen sich aufeinander, kommen vom Thema ab, stellen GO-Anträge, streiten sich darüber, ob dies und das nun eigentlich nach der Geschäftsordnung zulässig sei, dann wird urplötzlich abgestimmt, nur worüber hat man gerade nicht mitbekommen – und all dies möchte man seinen 39 Followern einigermaßen übersichtlich präsentieren. Ist man nun zum 140-Zeichen-Kleinklein gezwungen, passiert es leicht, dass etwas unter den Tisch fällt und dann zum Beispiel dem Twitter-Feed die Antwort auf eine Frage präsentiert wird, über deren Inhalt er gar keine Kenntnis hat.

Durch die hohe Taktfrequenz passieren schneller Fehler. Das ist menschlich, aber ärgerlich. Denn hier kommt ein weiterer Nachteil von Twitter zum Tragen: Korrigieren kann man Tweets nicht, nur löschen1. Und ein gelöschter Tweet trägt wiederum dazu bei, Verwirrung zu stiften.

Die Alternative wäre, nur noch punktuell auf besondere Events auf der Sitzung hinzuweisen, etwa so:

oder so:

Das ist dann allerdings kein echter Live-Bericht mehr, über den man die Sitzung halbwegs mitverfolgen kann. Und das ist nicht das Ziel.

Was Twitter toll macht

Ein Wort: Interaktion. Über die Plattform, die Twitter bietet, kann man seinen Followern total einfach die Timeline vollspammen und im Gegenzug direktes Feedback erhalten. Auch wenn nicht allzu viel Substanzielles dabei ist, hebt es doch die Stimmung ein wenig, wenn man merkt, dass man mehr als einen Leser mit seinen Beiträgen beglückt. Außerdem gibt es Äpps für die gängigen Mobiltelefone und Tablets, so dass man auch unterwegs auf dem Laufenden bleiben kann, zum Beispiel wenn man gerade in der Mensa sitzt und nichts zu tun hat. Hust hust, liebe Parlamentarier.

Weshalb wir trotzdem den Liveticker testen

Weil wir2 es können. Der Liveticker behebt quasi alle Probleme, die wir aktuell mit Twitter haben: Die Länge der Beiträge ist nicht auf 140 Zeichen limitiert und die Beiträge sind, konträr zu Twitter, editier- aber nicht löschbar. Außerdem kann uns Twitter nicht mehr rausschmeißen wenn wir in zu kurzer Zeit zu viele Beiträge absetzen. Nachdem ich dem Ticker heute noch ein fancy responsive Design verpasst habe3, sollte er auf mobilen Endgeräten noch besser konsumierbar sein. Es wäre sicherlich möglich, noch eine Anbindung an die üblichen Verdächtigen Twitter/Facebook/Google+ zum teilen/posten/sharen einzubauen, derzeit ist das aber noch nicht geplant.

Leider ist mit dem Umstieg auch ein gefühlter Publikumsschwund verbunden. (Eine Zählung der Tickerleser findet nicht statt, deswegen nur “gefühlt”.) Dadurch, dass der Bericht im Ticker insgesamt hoffentlich noch hochwertiger wird, sollte sich das mittelfristig aber wieder ausgleichen lassen. Wir werden es sehen.

Wo kann man sich das ansehen?

Den Link habe ich ja oben schon versteckt: http://spbn.ticklive.de/

Gern kann man sich die Sitzungen des Studierendenparlaments auch live und in Farbe ansehen. Die Termine stehen hier auf der Seite rechts, oder meistens etwas später direkt an der Quelle auf der Webseite des SP.

Wer auch mal so einen Ticker haben möchte: ticklive.de hat noch Subdomains frei 😉
Über die Belastbarkeit des Servers kann ich aber nichts sagen.

Der Quellcode des Tickers soll noch auf GitHub landen, wann das soweit ist kann ich auch noch nicht sagen.

  1. Eine Korrektur in einem weiteren Tweet hinterherzuschicken ist halt a) unschön und b) reicht einigen Herren und Damen Abgeordneten ja auch nicht. Wobei die in Bezug auf die Twitter-Berichterstattung grundsätzlich erst einmal nichts zu melden haben.
  2. ich
  3. Das Ganze basiert lose auf Bootstrap von Twitter, die Ironie daran ist unverkennbar.

Spielereien mit Sainte-Laguë/Schepers

Wenn die neue Satzung mal kommt (bald, gell), dann werden die Sitze im SP nicht mehr nach d’Hondt, sondern mach Sainte-Laguë/Schepers verteilt.

Während die Klassiker sowohl beim d’Hondt-Verfahren als auch beim Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren die Höchstzahlverfahren sind, bei denen eine große Tabelle mit Divisionsergebnissen gefüllt wird, habe ich mich in meiner Umsetzung am Divisorverfahren vergriffen. Der Vorteil des Divisorverfahrens ist, dass man sich nicht die ganze Tabelle merken und auch nicht ständig Maxima finden muss, sondern nur nach einem Teiler sucht, mit dem bei Standardrundung die richtige Sitzzahl herauskommt.

stlgs-image

Meine Implementierung lässt sich auf http://mst.hszemi.de/stlgs-web/ ausprobieren. Der Sourcecode liegt bei GitHub.

Technisch läuft das ganze mit reinem HTML/JavaScript, beim Hinzufügen und Entfernen von Hochschulgruppen hilft der Einfachheit halber jQuery.

Als kleines Schmankerl kann man sich auch noch direkt die Verteilung anzeigen lassen, die entstanden wäre, wenn die Sitze des letzten Studierendenparlaments bereits mit Sainte-Laguë/Schepers verteilt worden wären.